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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sie brauchte auch einen Piloten, und es war keiner zu sehen.
    Der Fahrer brachte sie zum großen Hangartor.
    »Bitte warten Sie einen Moment«, wies sie ihn vorsichtshalber an, als sie ausstieg.
    Sie eilte in den Hangar. Hier standen drei Maschinen, aber da keine Menschenseele zu sehen war, kehrte sie in den Sonnenschein zurück. Der Flugplatz kann doch nicht völlig unbeaufsichtigt sein! dachte sie unruhig. Irgend jemand muß hier sein, sonst wäre das Tor doch verschlossen.
    Sie ging um die Halle herum zur Rückseite und atmete erleichtert auf. Drei Männer standen hier bei einem Flugzeug.
    Die Maschine sah umwerfend schön aus. Sie war ganz kanariengelb, sogar die kleinen Räder, bei deren Anblick Nancy unwillkürlich an Spielzeugautos dachte. Es war ein Doppeldecker. Ober- und Unterflügel waren mit Trossen und Streben miteinander verspannt, und der Motor befand sich in der Nase. Der Doppeldecker saß mit dem Propeller hochgereckt und dem Schwanz auf dem Boden wie ein verspieltes Hündchen, das bettelt, Gassi gehen zu dürfen.
    Er wurde gerade aufgetankt. Ein Mann in Stoffkappe und ölverschmiertem blauem Overall stand auf einer Trittleiter und goß Benzin aus einem Kanister in eine Ausbuchtung des Flügels über dem Vordersitz. Vor dem Flugzeug unterhielt sich ein großer, gutaussehender Mann in Flughelm und Lederjacke mit einem Mann im Tweedanzug. Er war in Nancys Alter.
    Nancy hüstelte und sagte: »Entschuldigen Sie bitte.«
    Die beiden Männer blickten kurz auf, aber der große Mann redete weiter, und beide wandten den Blick wieder ab.
    Das war kein guter Anfang.
    »Verzeihen Sie, wenn ich Sie störe«, versuchte es Nancy noch einmal. »Ich möchte ein Flugzeug chartern.«
    Der große Mann unterbrach sein Gespräch und sagte: »Kann Ihnen nicht helfen.«
    »Es ist ein Notfall«, erklärte Nancy.
    »Ich bin kein Taxifahrer«, knurrte der Große und wandte sich wieder ab.
    Das machte Nancy so wütend, daß sie fragte: »Warum sind Sie eigentlich so unfreundlich?«
    Das brachte ihr zumindest seine Aufmerksamkeit ein. Er bedachte sie mit einem interessierten, leicht spöttischen Blick, und ihr fiel auf, daß er geschwungene schwarze Brauen hatte. »Es lag nicht in meiner Absicht, unfreundlich zu sein«, entgegnete er. »Aber meine Maschine ist nicht zu chartern, und ich bin es auch nicht.«
    Verzweifelt sagte sie: »Bitte, ich hoffe, Sie empfinden es nicht als beleidigend, aber wenn es eine Sache des Preises ist, bin ich durchaus bereit …«
    Er war beleidigt. Seine Miene erstarrte, und er wandte sich ab.
    Nancy bemerkte erst jetzt, daß er einen grauen Nadelstreifenanzug unter der Lederjacke trug und daß seine schwarzen Halbschuhe maßgearbeitet waren, keine billige Massenware, wie sie sie herstellte. Offenbar war er ein reicher Geschäftsmann, der sein eigenes Flugzeug flog, weil es ihm Spaß machte.
    »Gibt es sonst jemanden hier?« fragte sie.
    Der Mechaniker blickte vom Treibstofftank auf und schüttelte den Kopf. »Heute ist niemand da.«
    Der große Mann hatte sich wieder seinem Begleiter zugewandt: »Ich betreibe mein Geschäft nicht, um Geld zu verlieren. Sagen Sie Seward, was er bezahlt bekommt, ist der veranschlagte Preis für den Auftrag.«
    »Das Problem ist, daß sein Argument Hand und Fuß hat«, gab der Mann im Tweedanzug zu bedenken.
    »Ich weiß. Sagen Sie ihm, daß wir für den nächsten Auftrag einen höheren Preis ansetzen.«
    »Damit wird er sich vielleicht nicht zufriedengeben.«
    »Das ist dann sein Problem.«
    Nancy hätte vor Frustration schreien können. Da standen genau das richtige Flugzeug und ein Pilot, und sie konnte ihn nicht dazu bewegen, sie dorthin zu fliegen, wohin sie so dringend mußte. Den Tränen nahe sagte sie: »Ich muß aber unbedingt nach Foynes!«
    Da drehte sich der große Mann wieder um. »Sagten Sie Foynes?«
    »Ja…«
    »Was wollen Sie denn da?«
    Zumindest war es ihr gelungen, ihm ein paar Worte zu entlocken. »Ich muß den Pan-American-Clipper erreichen.«
    »Das ist ja ein Zufall«, sagte er. »Ich auch.«
    Neue Hoffnung regte sich. »O mein Gott!« hauchte sie. »Sie fliegen nach Foynes?«
    »Ja.« Sein Gesicht war grimmig. »Ich jage hinter meiner Frau her.« Ein ungewöhnliches Eingeständnis, schoß es Nancy trotz ihrer Aufregung durch den Kopf. Ein Mann, der so etwas zugab, war entweder ein Schwächling oder sehr selbstsicher. Sie blickte zu seinem Flugzeug. Es schien zwei Cockpits zu haben, dicht hintereinander. »Hat Ihre Maschine zwei Sitze?«

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