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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Blicken der Männer und den bewundernden oder neidischen der Frauen. Ich bin die schönste Frau an Bord, dachte sie, und Lulu Bell weiß es.
    In ihrem Abteil setzte sie sich nicht auf ihren Platz, sondern trat zwischen die Sitze auf der linken Gangseite und blickte über die Schulter des jungen Mannes im gestreiften Anzug aus dem Fenster. Er lächelte sie erfreut an.
    Sie erwiderte sein Lächeln und sagte: »Ist es nicht wundervoll?« »Ja, nicht wahr?« antwortete er. Ihr entging nicht, daß er einen wachsamen Blick auf den Mann gegenüber warf, fast als erwarte er eine Zurechtweisung. Man konnte meinen, der andere wäre sein Anstandswauwau.
    Diana fragte: »Gehören Sie zusammen?«
    Der Glatzkopf erwiderte knapp: »Man könnte sagen, daß wir Geschäftspartner sind.« Dann fielen ihm offenbar seine Manieren wieder ein, und er streckte die Hand aus. »Ollis Field«, stellte er sich vor.
    »Diana Lovesey.« Sie gab ihm zögernd die Hand. Er hatte schmutzige Fingernägel. Sie blickte den Jüngeren fragend an.
    »Frank Gordon«, sagte er.
    Beide waren Amerikaner, aber damit endete jede Ähnlichkeit. Frank Gordon war elegant gekleidet mit Krawattennadel und Seidentuch in der Brusttasche. Er roch nach Kölnischwasser und hatte etwas Pomade im Haar. »Was ist das für ein Landesteil, über den wir gerade fliegen – ist es überhaupt noch England?«
    Diana beugte sich so über ihn, daß ihm ihr Parfüm nicht entgehen konnte, und schaute aus dem Fenster. »Das müßte Devon sein«, antwortete sie, obwohl sie es wirklich nicht wußte.
    »Wo sind Sie her?« fragte er.
    Sie setzte sich neben ihn. »Aus Manchester.« Sie schaute rasch zu Mark hinüber, sah seinen erstaunten Blick und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Frank zu. »Das liegt im Nordwesten.«
    Ollis Field auf dem Sitz gegenüber zündete mit mißbilligender Miene eine Zigarette an. Diana schlug die Beine übereinander.
    »Meine Familie stammt aus Italien«, sagte Frank.
    Die italienische Regierung war faschistisch. Diana fragte unverblümt: »Glauben Sie, daß Italien in den Krieg eintreten wird?« Frank schüttelte den Kopf. »Das italienische Volk will keinen Krieg.«
    »Ich glaube nicht, daß irgend jemand Krieg will.«
    »Warum kommt es dann dazu?«
    Es fiel ihr schwer, ihn einzuschätzen. Er hatte offenbar Geld, war aber anscheinend ungebildet. Die meisten Männer überschlugen sich fast, wenn sie ihr etwas erklären und mit ihrem Wissen angeben konnten, ob sie das wollte oder nicht. Frank nicht. Sie blickte seinen Begleiter an und fragte: »Was meinen Sie, Mr. Field?«
    »Hab‘ nicht darüber nachgedacht«, erwiderte er mürrisch.
    Sie wandte sich wieder dem jungen Mann zu. »Vielleicht ist Krieg die einzige Möglichkeit, mit der faschistische Führer ihr Volk unter Kontrolle halten können.«
    Erneut sah sie zu Mark hinüber und stellte enttäuscht fest, daß er wieder tief im Gespräch mit Lulu versunken war und die beiden wie dumme Gänse kicherten. Sie fühlte sich im Stich gelassen. Was war los mit ihm? Mervyn wäre inzwischen so weit gewesen, daß er sich mit Frank anlegen würde.
    Sie blickte zu Frank zurück. Die Worte »erzählen Sie mir doch von sich« lagen ihr auf den Lippen. Aber plötzlich glaubte sie nicht, daß sie die Geduld aufbrachte, seiner Antwort zuzuhören. Sie schwieg. In diesem Moment brachte der Steward Davy ihren Sekt und eine Platte mit Kaviar auf Toast. Sie nutzte die Gelegenheit, auf ihren Platz zurückzukehren, aber sie war niedergeschlagen.
    Mißmutig hörte sie Mark und Lulu eine Zeitlang zu, dann schweiften ihre Gedanken ab. Wie dumm von ihr, sich Lulus wegen Sorgen zu machen. Mark liebte sie, Diana. Es bereitete ihm nur Freude, sich über vergangene Zeiten unterhalten zu können. Und sich Amerikas wegen Sorgen zu machen war jetzt sinnlos, sie hatte sich dafür entschieden; die Würfel waren gefallen, Mervyn hatte inzwischen ihren Brief gelesen. Ja, es war wirklich idiotisch, auf eine fünfundvierzigjährige Wasserstoffsuperoxydblondine eifersüchtig zu sein. Sie würde bald mit der Lebensweise in Amerika vertraut sein, mit den Drinks und Radioshows. Es dauerte sicher nicht lange, dann hatte sie mehr Freunde als Mark, schon immer hatten die Leute sich gern um sie geschart.
    Sie freute sich jetzt auf den langen Flug über den Atlantik. Als sie im Manchester Guardian über den Clipper las, hatte sie schon gedacht, daß es die romantischste Reise der Welt sein müßte. Von Irland nach Neufundland waren es etwa dreitausend

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