Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Ich habe es nachgeprüft.«
    Wie? Wer war der Kerl? »Wer zum Teufel sind Sie überhaupt?«
    »Fragen Sie nicht.«
    Eddie hatte die Initiative ergriffen und diesen Mann bedroht, doch irgendwie hatte das Blatt sich gewendet, und nun fühlte er sich eingeschüchtert. Luther gehörte zu einer skrupellosen Gangsterbande, die alles sorgfältig geplant hatte. Sie hatten Eddie zu ihrem Werkzeug erwählt, hatten Carol-Ann entführt und ihn deshalb in der Hand.
    Er steckte die Ansichtskarte in die Brusttasche der Uniform und drehte sich um.
    »Sie werden es also tun?« fragte Luther angespannt.
    Eddie drehte sich um und blickte ihn kalt an. Er fixierte Luther einen langen Moment, dann ging er wortlos weiter.
    Er spielte den harten Mann, tatsächlich aber fühlte er sich hilflos. Was hatten diese Leute vor? Eine Zeitlang hatte er gedacht, daß die Deutschen eine Boeing 314 entführen wollten, um sie nachzubauen. Aber diese an den Haaren herbeigezogene Theorie konnte er nun vergessen, denn wenn die Deutschen das Flugzeug wirklich haben wollten, würden sie versuchen, es in Europa in ihre Gewalt zu bekommen, nicht an der Ostküste der Staaten.
    Daß sie die Stelle so genau festlegten, an der der Clipper wassern sollte, war aufschlußreich. Es konnte nur bedeuten, daß ein Schiff dort auf sie warten würde. Aber warum? Wollte Luther jemanden oder etwas in die Staaten schmuggeln? Einen Koffer voll Opium? Eine Geheimwaffe? Einen Agitator der Kommunisten oder einen Spion der Nazis? Was auch immer, es mußte verdammt wichtig sein, wenn man sich soviel Mühe machte.
    Zumindest wußte er jetzt, weshalb sie ihn ausgewählt hatten. Wollte man einen Clipper zum Wassern bringen, war der Ingenieur der richtige Mann. Der Navigator konnte es nicht, ebensowenig der Funker, und der Pilot brauchte die Unterstützung seines Copiloten. Ein Flugingenieur dagegen konnte die Maschinen ganz allein anhalten.
    Luther mußte sich von Pan American eine Liste der Clipperingenieure besorgt haben. Das war sicher nicht sehr schwierig, jemand konnte in die Verwaltung eingebrochen sein oder eine Sekretärin bestochen haben. Warum aber hatten sie ausgerechnet Eddie ausgewählt? Aus irgendeinem Grund hatte Luther sich für gerade diesen Flug entschieden. Er hatte sich den Dienstplan besorgt und sich überlegt, wie er Eddie Deakin zur Mithilfe zwingen konnte, und war auf die Idee gekommen, seine Frau zu entführen.
    Es machte Eddie rasend, daß er diesen Gangstern auch noch helfen mußte. Er haßte Verbrecher. Sie waren zu habgierig, um wie normale Sterbliche zu leben, und zu faul, einen ehrlichen Dollar zu verdienen. Sie betrogen und stahlen von schwerarbeitenden Bürgern und lebten in Saus und Braus. Während andere sich beim Pflügen und Ernten den Rücken kaputtmachten oder achtzehn Stunden am Tag arbeiteten, um sich eine Firma aufzubauen, oder unter Tag Kohlen förderten, oder den ganzen Tag am Hochofen schwitzten, fuhren die Herren Verbrecher in teuren Anzügen und protzigen Wagen herum, schüchterten andere ein, verprügelten sie und jagten ihnen tödliche Angst ein. Der elektrische Stuhl war noch zu gut für sie!
    Vater hatte die gleiche Einstellung gehabt. Eddie erinnerte sich, was Vater über die Schlägertypen in der Schule gesagt hatte, die groß angaben und Schwächere einschüchterten. »Diese Bürschchen sind niederträchtig, aber schlau sind sie nicht.« Tom Luther war niederträchtig, aber war er schlau? »Es ist schwer, gegen diese Burschen zu kämpfen, aber nicht so schwer, sie reinzulegen«, hatte Vater gesagt. Doch Tom Luther würde sich nicht so leicht hereinlegen lassen. Er hatte einen sorgfältigen Plan ausgearbeitet, und es sah ganz so aus, als funktioniere alles wie am Schnürchen.
    Eddie hätte fast alles für eine Chance gegeben, Luther auszutricksen. Aber Luther hatte Carol-Ann. Und was immer Eddie tun würde, um ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen, konnte ihr schaden. Es blieb ihm nichts übrig, als das zu tun, was sie verlangten.
    In ohnmächtiger Wut verließ er den Hafen und überquerte die Straße, die durch das winzige Foynes führte.
    Das eigentliche Flughafengebäude war ein ehemaliges Gasthaus mit einem Hof. Seit der Ort zu einem wichtigen Flugschiffhafen geworden war, wurde das Gebäude fast ausschließlich von Pan American benutzt, allerdings gab es noch eine Kneipe, »Mrs. Walsh‘s Pub«, in einem kleineren Raum mit eigenem Eingang von der Straße. Eddie ging hinauf zur Verwaltung, wo Captain Marvin Baker und der

Weitere Kostenlose Bücher