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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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normalerweise nicht so brav war. Der Junge tat zwar jetzt, was man ihm sagte, aber in seinen Augen funkelte es spitzbübisch. Wie auch immer, im Augenblick hätte er sich nicht besser benehmen können. Gehorsam ging er zur Treppe und hinunter zum Passagierdeck. Der Motorenklang veränderte sich, und das Flugzeug verlor an Höhe. Die Crew bereitete routinemäßig die Landung vor. Eddie wünschte sich, er könnte sich den anderen anvertrauen. Er fühlte sich entsetzlich einsam. Das hier waren seine Kameraden; sie vertrauten einander; sie waren gemeinsam über den Atlantik geflogen; er wollte ihnen von seiner Zwangslage erzählen und sie um ihren Rat bitten. Aber es war zu riskant.
    Er richtete sich kurz auf, um aus dem Fenster zu blicken. Ein Städtchen war zu sehen, das wohl Limerick war. Außerhalb der Stadt, am Nordufer des Shannon, wurde ein großer neuer Flughafen für Land- und Wasserflugzeuge errichtet. Bis er fertig war, wasserten die Flugboote an der Südseite des Ästuars im Windschatten einer kleinen Insel nahe einer Ortschaft namens Foynes.
    Ihr Kurs war nordwest, deshalb mußte Captain Baker den Clipper fünfundvierzig Grad wenden, um im Westwind zu wassern. Ein Boot der Ortschaft würde die Landezone patrouillieren, um sie nach Treibgut abzusuchen, das dem Flugzeug schaden konnte. Das Schiff mit Fünfziggallonenfässern Treibstoff zum Auftanken würde bereitstehen, und an Land würde sich eine Menge Schaulustiger eingefunden haben, um sich das Wunderschiff, das fliegen konnte, nicht entgehen zu lassen.
    Ben Thompson sprach in sein Funkmikrofon. Bei größeren Entfernungen mußte er morsen, jetzt jedoch war er nahe genug für Sprechfunk. Die Worte konnte Eddie nicht verstehen, aber Bens ruhigem, entspanntem Ton entnahm er, daß alles in Ordnung war.
    Sie gingen allmählich tiefer. Eddie ließ keinen Blick von seinen Anzeigen und nahm vereinzelte Korrekturen vor. Eine seiner wichtigsten Aufgaben war, für den Synchronlauf der Motoren zu sorgen, eine Arbeit, die um so mehr Aufmerksamkeit erforderte, je häufiger der Pilot den Schub drosselte.
    In einer ruhigen See war das Wassern fast nicht zu spüren. Unter idealen Umständen tauchte der Rumpf des Clippers in das Wasser wie ein Löffel in Sahne. Eddie, der sich voll auf sein Instrumen- tenbrett konzentrierte, bemerkte es manchmal nicht einmal sofort, daß das Flugzeug bereits aufgesetzt hatte. Heute aber war die See kabbelig – damit mußte man normalerweise an jedem der Landepunkte auf dieser Strecke rechnen.
    Der unterste Punkt des Rumpfes berührte als erstes das Wasser. Ein leichtes Schlagen war zu hören, als er durch die Wellenkämme schnitt. Das dauerte lediglich ein oder zwei Sekunden, dann ging das riesige Luftschiff noch ein paar Zentimeter tiefer und pflügte durch die Wasseroberfläche. Eddie fand es viel glatter, als auf dem Land aufzusetzen, wo immer ein Aufprall zu spüren war. Etwas Gischt spritzte bis zu den Flugdeckfenstern hinauf. Der Pilot drosselte ganz ab, und die Maschine wurde sofort langsamer. Das Flugzeug war wieder ein Schiff.
    Eddie schaute zum Fenster hinaus, als sie zu ihrem Anlegeplatz trieben. An einer Seite war die flache, fast kahle Insel, er sah lediglich ein kleines weißes Haus und ein paar Schafe. Auf der anderen befand sich das irische Festland. Er sah eine beachtliche Betonmole, an der ein Fischerkahn vertäut war, mehrere große Öltanks und ein paar graue Häuser. Das war Foynes.
    Im Gegensatz zu Southampton hatte Foynes keinen eigenen Pier für Flugboote. Der Clipper würde deshalb in der Flußmündung festmachen und ein Boot die Leute an Land und an Bord bringen. Für das Festmachen war der Ingenieur zuständig.
    Eddie ging nach vorn, kniete sich zwischen die beiden Pilotensitze und öffnete die Luke, die zum Bugabteil führte. Er kletterte die Leiter in den leeren Raum hinunter, trat in die Nase des Flugzeugs, öffnete eine Luke und streckte den Kopf hinaus. Die Luft war frisch und salzig, er atmete tief ein.
    Ein Boot kam längsseit heran. Einer der Arbeiter winkte Eddie zu. Der Mann hielt eine Trosse, die an einer Boje festgemacht war. Er warf die Trosse ins Wasser.
    An der Nase des Flugschiffs befand sich ein tragbares Spill. Eddie hob es, klinkte es in Position, dann nahm er einen Bootshaken aus dem Innern, fischte damit die Trosse aus dem Wasser und wickelte sie um das Spill. Damit war das Flugzeug festgemacht. Nun blickte er zum Kanzelfenster hoch und gab Captain Baker mit dem Daumen nach oben das

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