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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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in Form. Eddie faßte ihn um den Hals und begann ihn zu würgen.
    Luther starrte ihn an – in seinen Augen stand nackte Angst.
    Einen Augenblick später wurde Eddie bewußt, daß er dabei war, den Kerl umzubringen.
    Er lockerte den Griff, dann ließ er den Mann ganz los. Luther sackte nach Luft keuchend gegen die Wand und tastete nach seinem wunden Hals.
    Der irische Zollbeamte blickte aus der Tür. Er mußte wohl gehört haben, wie Eddie Luther gegen die Wand geschmettert hatte. »Was ist passiert?« erkundigte er sich.
    Luther richtete sich mühsam auf. »Ich bin gestolpert, aber es ist nichts passiert«, keuchte er.
    Der Zollbeamte bückte sich und hob Luthers Hut auf. Er musterte die beiden Männer neugierig, als er ihn aushändigte, schwieg jedoch und kehrte ins Haus zurück.
    Eddie schaute sich um. Niemand sonst hatte etwas von der Auseinandersetzung bemerkt; Passagiere und Crew waren längst um den kleinen Bahnhof herum verschwunden.
    Luther setzte seinen Hut auf. Heiser sagte er: »Wenn Sie Schwierigkeiten machen, kostet es nicht nur Sie und mich das Leben, sondern auch Ihre Frau, Sie Idiot!«
    Die Erwähnung Carol-Anns machte Eddie wieder rasend, und er schwang die Faust, um Luther erneut zu schlagen, aber Luther hob schützend einen Arm und meinte: »Würden Sie sich bitte beruhigen? So werden Sie Ihre Frau bestimmt nicht zurückbekommen! Begreifen Sie denn nicht, daß Sie mich brauchen?«
    Das war Eddie durchaus klar, ihm waren nur kurz die Nerven durchgegangen. Er machte einen Schritt zurück und musterte Luther. Der redegewandte Mann war teuer gekleidet, hatte einen borstigen blonden Schnurrbart und blaßblaue, jetzt haßerfüllte Augen. Eddie bereute es nicht, daß er handgreiflich geworden war. Er hatte auf etwas einschlagen müssen, und Luther war ein angemessener Punchingball gewesen. Jetzt fragte er: »Was willst du von mir, du Scheißkerl?«
    Luther griff in sein Jackett. Flüchtig dachte Eddie, daß er vielleicht eine Pistole herausholen wollte, aber Luther hielt eine Ansichtskarte in der Hand und reichte sie Eddie.
    Eddie warf einen Blick darauf. Sie zeigte Bangor in Maine. »Was zum Teufel soll das?«
    »Drehen Sie sie um«, riet ihm Luther.
    Auf der anderen Seite stand:
    w67/n44.7
    »Was bedeuten diese Zahlen – Längen- und Breitengrade?« fragte Eddie.
    »Ja. Dort müssen Sie das Flugzeug runterbringen.«
    Eddie starrte ihn an. »Das Flugzeug runterbringen?« wiederholte er ungläubig.
    »Ja.«
    »Das wollt ihr von mir – darum geht es?«
    »Wassern Sie das Schiff genau dort!«
    »Aber warum?«
    »Weil Sie Ihre hübsche Frau zurückhaben wollen.«
    »Wo ist das?«
    »Vor der Küste von Maine.«
    Manche Leute bildeten sich ein, daß ein Flugboot überall wassern konnte, tatsächlich aber mußte das Wasser dazu sehr ruhig sein. Aus Sicherheitsgründen erlaubte Pan American keinen Touchdown, wenn die Wellenhöhe mehr als einen Meter betrug. Setzte ein Flugzeug bei starkem Seegang auf, konnte es zerschellen. »Man kann ein Flugboot nicht auf offener See landen…«, sagte Eddie.
    »Das ist uns klar. Es handelt sich um eine geschützte Stelle.«
    »Das heißt noch lange nicht …«
    »Überprüfen Sie es. Sie können dort landen. Ich habe mich vergewissert.«
    Das klang so überzeugt, daß Eddie ihm glaubte. Aber es gab noch andere Probleme. »Wie soll ich das Flugzeug dort hinunterbringen? Ich bin nicht der Pilot!«
    »Ich bin das alles mit größter Sorgfalt durchgegangen. Theoretisch könnte auch der Kapitän das Flugzeug dorthin bringen. Aber mit welchem glaubhaften Grund könnte er aufwarten? Sie sind der Ingenieur und können dafür sorgen, daß etwas schiefgeht.«
    Nun, da seine blinde Wut kalter Überlegung gewichen war, duzte Eddie den anderen nicht mehr. »Sie wollen, daß ich das Flugzeug abstürzen lasse?«
    »Natürlich nicht, schließlich bin ich an Bord. Sie müssen nur für irgendeine Störung sorgen, so daß der Kapitän sich zum Wassern gezwungen sieht.« Er tupfte mit seinem manikürten Finger auf die Ansichtskarte. »Genau hier!«
    Natürlich konnte ein Flugingenieur eine Störung herbeiführen, die eine Wasserung unbedingt erforderlich machte, daran bestand kein Zweifel. Aber ein Notfall war schwer zu steuern, und Eddie wußte zumindest momentan nicht, wie er ein ungeplantes Wassern an einer genau vorgeschriebenen Stelle zustande bringen konnte. »Das ist nicht so einfach …«
    »Ich weiß, daß es nicht einfach ist, Eddie. Aber ich weiß auch, daß es getan werden kann!

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