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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gilbende Gras, die mißfarbene geheimnisvolle Weite der Prärie. Die Kühe erhoben sich aus dem Schlaf, die Schlangen krochen an sonnige Plätze. Ein Stier brüllte. Das war der einzige Laut, den Frank außer dem Motorengeräusch des eigenen Wagens auf seiner Fahrt zum Tal der weißen Felsen vernahm. Als rechts die Felsen und die Booth-Ranch auftauchten und links am Hang eine alte dunkle Blockhütte zu sehen war, wußte Frank sich am Ziel. Er lenkte den Feldweg linker Hand zu dem Blockhaus hinauf, dem Wohnsitz der Familie King. Neben der Blockhütte stand ein großes altes Zelt aus Büffelleder. Da Frank im Blockhause Stimmen hörte, trat er dort ein und befand sich in dem seit eh und je denkbar einfach ausgestatteten Innenraum. Die beiden Bettgestelle, Schlaf- und Sitzgelegenheit, standen über Eck. Der Tisch davor war roh gezimmert. Das Rohr des eisernen Ofens führte durch das Dach. An Wandhaken hingen Kleider und ein Patronengürtel mit Kniehalfter und Pistole. In der Ecke stand ein Jagdgewehr. Ein einziger sehr fester Kasten verbarg vielleicht Reservemunition.
    Joe King war aufgestanden und begrüßte seinen Gast. Frank verglich die Wirklichkeit von Joes Erscheinung in Gedanken unwillkürlich mit den Beschreibungen durch den Detektiv und den Kriminalbeamten und mit dem Polizeifoto. Die Realität entsprach etwa dem Bild und der Vorstellung: groß, mager, sehnig, jung war Joe. Die Züge um seinen Mund, verbittert und zynisch, konnten zu keiner Vertraulichkeit ermuntern, und der schwer ergründbare, noch an das magische Fühlen und Denken des Indianers gemahnende Schein in seinen Augen mußte weiße Männer verwundern und wie latenter Wahnsinn erscheinen. Frau Queenie, die neben ihrem Mann stand und die Wünsche des Gastes an seiner Miene abzulesen versuchte, wirkte anders. Die Achtzehnjährige erschien sanft wie der Mondschein, und die erstaunten, vielleicht angstvollen Fragen in ihrem Blick galten wohl den Widersprüchen und Schrecken ihrer Umgebung, in die sie mit ihrer Ehe eingetreten war. Frank wußte, daß Joe und Queenie sich gegen den Willen von Queenies Eltern gefunden hatten. Es war eine Ehe echter Leidenschaft, aber keine der ruhigen Überlegung.
    Als Joe hörte, daß Frank Wichtiges zu besprechen habe, holte er seinen Ahnen Inya-he-yukan Harry Okute aus dem Zelt herüber in das Blockhaus. Man ließ sich auf den Bettgestellen um den Tisch nieder. Die Männer begannen zu rauchen. Frank und Joe billige Zigaretten, Okute einen weniger billigen Tabak in seiner kunstvoll geschnitzten Pfeife. Queenie saß still am Ende der Bettstatt. Die ersten Minuten hindurch wurde nicht gesprochen.
    Frank überlegte, wie er anfangen solle. Er schaute auf Joes schlanke Hände, denen nur wenige die Kraft zutrauten, die sie besaßen. Er nahm in sich auf, daß der Hausherr Blue Jeans, ein kariertes Hemd und Stulpenstiefel trug, die bei Cowboys übliche Kleidung, Queenie aber einen dunklen Hänger, der kaum mehr verbarg, daß sie ein Kind erwartete. Der alte Indianer war in Leder gekleidet. Seine Haare fielen bis zur Schulter.
    »Nun, was willst du, Frank?« fragte Joe schließlich.
    »Ich habe eine Bitte an dich, Stonehorn.« Morning Star machte den Umweg, den er sich vorgenommen hatte. »Höre mich an. Unsere Reservationsökonomie hat nicht genügend Arbeit für die Burschen und Mädchen, die aus der Schule entlassen worden sind. Du weißt es. Die meisten Mädchen und Burschen wollen aber auch nicht außerhalb der Reservation Arbeit suchen. Sie kennen die Slums von New City, und sie möchten wenigstens ihren Unterstützungsanspruch, den sie auf der Reservation haben, nicht verlieren. Es ist ein ungesunder Zustand. Die Ökonomie wird nicht helfen, dieses Jahr jedenfalls noch nicht. Also muß der Ratsmann für Kultur einspringen! Frank Morning Star fragt dich, Joe. Du wolltest doch einmal eine Sportgruppe aufziehen.«
    »Vor sieben Jahren.«
    »Warum nicht auch jetzt?«
    »Du solltest es wissen, Frank. Du weißt es auch. Warum verbirgst du das?«
    »Ich denke, du könntest jetzt eine Sportgruppe aufziehen, Stonehorn. Aber wenn du Bedenken hast, so sage sie mir.«
    Joe antwortete langsam, Wort neben Wort setzend. »Fällt mir schwer, Frank, weil das Reden unnütz ist… aber nun gut, du verlangst es; du sollst es haben. Das Urteil, das der Anfang des Übels war, ist aufgehoben. Ihr wißt jetzt alle, daß ich, sechzehn Jahre alt, kein Dieb war. Aber weil ihr es einmal alle geglaubt habt, war ich ein Gangster geworden. Ich brachte

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