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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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vielleicht grinste er auch, ähnlich wie Esma. »Falls King uns die beiden Vermißten beischaffen würde, könnte er sich dadurch entlasten. Aber er hat in seiner Bewährungsfrist die Auflage, die Reservationsgrenze nicht zu überschreiten, und wir würden ihm auch nicht die Erlaubnis geben, sich herumzutreiben und etwaige schwache Spuren ganz zu verwischen.«
    »Der Superintendent könnte bei Ihnen eine Ausnahmegenehmigung beantragen.«
    »Nicht bei mir. Beim Richter.«
    »Ja, beim Richter.« Frank glaubte einen Lichtstreifen zu sehen, denn Richter Elgin, mit einer Tscheroki verheiratet, galt als Indianerfreund.
    »Würden Sie protestieren, wenn der Richter meinem Stammesgenossen Joe King auf Antrag des Superintendent eine entsprechende Erlaubnis gibt? Es liegen keinerlei konkrete Verdachtmomente gegen Joe vor.«
    Der Beamte verteidigte sich. »Einen Joe King pflegt man auch mit konkreten Schuldbeweisen nicht zum Sprechen zu bringen. Er ist bekannt als hart und gerissen. Warum halten Sie ihn für unschuldig? Er lebt auf einer einsamen Ranch, und sein Alibi könnte nur die Familie beschwören. Die Frau ist ihm aber hörig. Wir würden sie nicht vereidigen.«
    »Das ist Sache des Stammesgerichts.«
    »Verbrechen außerhalb der Reservation sind unsere Sache.«
    »Es gibt einen weiteren Zeugen: den unbescholtenen canadischen Bürger Harry Okute, der bei den Kings seit Wochen zu Gast ist.«
    »Dieser alte Indianer?«
    »Ja.«
    »Ein Verwandter, nicht wahr?«
    »Ja. Von Mutterseite.«
    »Scheidet also ebenfalls aus.«
    »Warum halten Sie Joe für schuldig? Es fehlt jegliches Motiv.«
    »Motiv?«
    Der Beamte zog die Lippen zur Schnute. »Motiv? King war jahrelang Berufsverbrecher. Also Geld. Oder psychopathische Mordlust. Oder ein Zufall, der ihn wieder verführt hat.«
    »Wenn Sie wollen – können Sie solche Motive bei Abertausenden vermuten. Wünschen Sie mich zum besten zu halten?«
    Der Beamte deckte seinen Trumpf auf. »Wir haben den Haftbefehl gegen King schon beantragt. Esmeralda Horwood hat King zur fraglichen Zeit in den Wäldern gesehen.«
    »Feine Kronzeugin haben Sie da. Schämen Sie sich gar nicht? Good bye. Ich gehe zum Superintendent.«
    Frank trieb seinen Wagen auf 60 Meilen die Stunde und ratterte die einsame Straße zurück zur Reservation. Erst nach Dienstschluß erreichte er die Agentursiedlung mitten in der Prärie, Bürohäuser, Privatwohnungen der weißen Beamten, anschließende Neubauten für die im Stammesrat, bei dem Gericht oder bei der Verwaltung tätigen Indianer. Den Superintendent konnte er nicht privat aufsuchen, aber es war für ihn möglich, nach dem Abendessen zu dem Stammesrichter Ed Crazy Eagle zu gehen. Da in der Küche des kleinen Holzhauses noch Licht war, ging Frank nach seinem Eintreten gleich dorthin und setzte sich nach der Begrüßung auf die Küchenbank zu Ed.
    Der indianische Richter war noch jung, seit seiner Kindheit blind, und hatte mit ungewöhnlicher Energie sein Studium vollendet. Frank schenkte ihm Vertrauen, obgleich Ed nicht in seinem eigenen Stamm geboren war. Doch rückte Frank nicht sogleich mit seinem Anliegen heraus, sondern unterhielt sich mit dem Buben, der ein Märchenbuch besah, schaute Frau Margot, die das Geschirr abwusch, bei der Arbeit zu, und wußte nach einer Stunde, daß Richter Elgin noch keinen Haftbefehl gegen Joe King ausgestellt, sondern bei dem Superintendent telefonisch nach einem tüchtigen indianischen Scout gefragt hatte.
    »Wen nennen wir ihm?« fragte Ed.
    »Joe King, genannt Stonehorn. Das ist der einzige, der hier etwas ausrichten kann.«
    »Und die Sache aufdecken muß, und zwar schnell. Sonst holen sie ihn doch noch.«
    »Hau. Woher weißt du von dem unsinnigen Verdacht, Ed?«
    »Von Stonehorns Nachbarn Harold Booth. Harold und Esma kennen sich. Harold mußte seine Kaution bei mir hinterlegen, damit ich ihn bis zu seinem Prozeß wegen Pferdediebstahls auf der King-Ranch noch frei umherlaufen lasse. Joe ist Nebenkläger; Harold hat ein Interesse daran, Joe Kings Ansehen herabzusetzen. Die beiden sind wie Hund und Katze, du weißt es ja.«
    »Hast du den Polizeibericht, Ed?«
    »Hier, lies die Notizen daraus. Fährst du zu Joe?«
    Frank studierte. »Hau. Morgen.«
    Morning Star führte seinen Entschluß schon in der Frühe des nächsten Tages aus. Rund und rot hing die Sonne über dem Horizont wie der Schild eines Kriegers an der Zeltwand. Sie wandelte sich in Gold, und ihre Strahlen wärmten den ausgetrockneten Boden, das früh

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