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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Leben entdecken, weder Tier noch Mensch, noch andere Wagen. »Wenn dieser Baum uns vor die Räder geschwebt wäre, als wir in voller Fahrt waren! Mit einem schweren Unfall hätten wir hier festgesessen wie Robinson auf der Insel.«
    »Wie weit wollen Sie mitfahren, Mister King?« fragte Paul.
    »Ich habe nur auf diesen Baum gewartet, um auszusteigen.«
    Caroline platzte heraus. »Typisch Joe. Aber im Ernst, Sie machen unsere Reise natürlich bis Frisco mit!«
    Paul verschluckte und räusperte sich. Er nahm den halb abgegessenen Kunststoffteller in die linke Hand und tastete mit der rechten, als ob er etwas nicht finden könne.
    Joe schob die Linke unter die Jacke.
    »Suchen Sie etwas?« fragte Carol. »Ich habe Nervenberuhigungsmittel und auch Anregungsmittel dabei.«
    »Danke, Miss Bergen, Paul und ich haben die unsern schon gefunden.«
    Joe und Paul hielten die entsicherten Pistolen gegeneinander gerichtet.
    »Was machen Sie denn für Witze!« Jerome war mehr verblüfft als erschreckt.
    »Nur eine Probe.« Paul steckte sein Ding wieder ein, Zentimeter für Zentimeter in dem gleichen Zug, in dem Joe seine Waffe verschwinden ließ.
    »Um Ihnen zu zeigen, Miss Caroline, daß Sie auch auf einer Robinsoninsel nicht ohne Schutz wären«, fügte Joe hinzu.
    Vater Bergen schüttelte den Kopf. »Meine Herren, von Pistolen höre ich in meinen Prozessen genug. Verschonen Sie mich damit im Privatleben; dem Kindesalter dürften Sie doch entwachsen sein.«
    Das Lunch wurde beendet. Paul steuerte den Wagen einige Meter zurück und umfuhr den Baum auf der anderen Fahrbahnseite. Der Sturm ließ nach, aber nur scheinbar, da die Luftbewegung sich in einzelnen Böen vollzog.
    Jerome hatte seine Zeitschriften durchgelesen und schlief ein. Der Juliabend dehnte sich lang. Man beschloß einen zweiten Halt.
    Die Zone der Sturmgefahr und des heftigen Windes war – wie die Radioansagen wissen ließen – bereits überwunden. Es schien angenehm, das Dinner in einem eleganten Motel einzunehmen. Paul kam nicht in den Speisesaal mit, sondern aß in der Cafeteria.
    »Wie sind Sie eigentlich auf den schlechten Gedanken gekommen, Ihre Frau allein zu lassen, Joe?« Caroline kokettierte auf ihre offene und harmlose Art.
    »Um einmal in meinem Leben Cadillac zu fahren, Miss Bergen.«
    »Oh… sonst nichts?«
    »Über persönliche Dinge plaudere ich nicht gern.«
    »Das klingt netter. Dafür dürfen Sie auch einmal ans Steuer.«
    »Danke. Aber nicht zu bald.«
    Man strebte noch zu dem großen Monument in den Hills, zu dem Hotel zu Füßen der vier Präsidentenköpfe, die der Schülerin Yvonne einst so viele Schwierigkeiten bei ihrem Lehrer Mr. Teacock verursacht hatten. Die Fahrt ging bis in die Nacht hinein; Paul mußte die Geschwindigkeit auf sechzig Meilen herabsetzen. Als die Straße sich zu winden begann und die Scheinwerfer das Dunkel der Kurven unter dem bewölkten Nachthimmel grell auflichteten, war Paul gezwungen, den Rückspiegel wieder so einzustellen, daß er die Straße hinter dem Wagen übersehen konnte. Joe überlegte. Ich könnte den Augenblick benutzen, sagte er sich, aber die Dummheiten von Jerome und seiner lieblichen Schwester sind nicht vorauszuberechnen, geschweige denn das Verhalten von Daddy, und Geoffrey-Paul ist mit allen Wassern gewaschen. Ich habe noch etwas Zeit. Laß uns warten.
    Der Hund, dachte Paul, der niederträchtige rote Hund hat Nerven. Was ich auch im Wagen tun mag, entweder gehen wir alle drauf, oder die nette Familie macht unvorhergesehene Bewegungen. Die Sache war gut berechnet, sehr gut. In Frisco tauche ich unter. Aber bis Frisco werde ich den Indianer nicht mitnehmen. Morgen frißt er Staub.
    Der Wagen hielt auf dem Parkplatz des Hotels. Trotz des Hochsaisonbetriebes fanden sich noch geeignete Reservezimmer für Cadillac-Gäste. Caroline zog sich in ihr Einzelzimmer mit Bad zurück, Dad und Jerome teilten ein Zweibettzimmer mit Dusche, Paul und Joe erhielten eine gemeinsame Unterkunft unter dem Dach, auch mit Dusche.
    Als die beiden letzten sich in ihrem Zimmer gegenüberstanden und Joe sich den Schlüssel angeeignet hatte, so daß Paul nicht zuschließen konnte, betrachteten sie einander. Der Bellboy, der es sich nicht hatte nehmen lassen, Pauls Köfferchen zu tragen, hatte alle Lampen angeschaltet, um zu beweisen, daß sie in Betrieb waren, und dann mit einem guten Trinkgeld den Raum verlassen. Es brannten das Mittellicht an der Decke, die Lampe bei dem Waschtisch, die Lampe im Duschvorraum, die beiden

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