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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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dir wahrscheinlich schon sagen, wo er steckt – tot oder lebendig. Aber er ist ein guter Mann, und mit den Gewohnheiten von guten Männern und ihren sonderbaren, Einfällen weiß ich nicht genug Bescheid. Ich muß mich in den Dummkopf erst hineindenken. – Nachher – ja, nachher suche ich Quartier für uns und Arbeit für mich. Es wird weder das eine noch das andere leicht zu finden sein. Dein Vater nimmt uns nicht auf. Das steht fest.«
    »Und dein Vater?«
    »Der nimmt uns auf, aber das kannst du nicht ertragen.«
    Stonehorn brach ab.
     

Rancher
     
    Lauras braunhäutige Finger mit den rotgefärbten Nägeln glitten über die Tasten. Sie hatte für den Superintendent zu schreiben; es war ein amtliches Schriftstück, und nicht der geringste Fehler durfte es verunstalten.
    Ein Besucher trat ein. Klopfen hatte sie nicht gehört. Als er nun vor ihr stand, erkannte sie ihn. Das war Joe King.
    »Ich bitte, den Superintendent zu sprechen«, sagte er, als ob dies die einfachste Sache von der Welt sei, obgleich nicht einmal der Häuptling, jetzt genannt Chairman oder President, gewagt hätte, einfach zu dem Superintendent, dem obersten der Aufsichts- und Verwaltungsbeamten der Reservation, vordringen zu wollen.
    »In welcher Angelegenheit?« fragte Laura.
    »Das werde ich ihm selbst vortragen.«
    »Wenn es sich um eine Wohlfahrtsangelegenheit handelt, bitte Missis Carson, Ökonomie Mister Haverman… Schulwesen brauchen Sie wohl nicht mehr.«
    »Danke, bekannt. Ich wünsche den Superintendent zu sprechen.«
    »Der Superintendent nimmt nur Vorlagen an, die bereits von den Fachdezernenten und von seinem Stellvertreter, Mister Shaw, bearbeitet sind.«
    »Wenn Sie mir das als die Auffassung des Superintendent schriftlich geben können, stehe ich von meiner Bitte ab.«
    Laura fuhr mit der Zungenspitze über die rougebelegten Lippen. Was für ein frecher Mensch! Und wie er sich auszudrücken verstand. Sie war gewohnt, daß Indianer, die abgewiesen oder an eine andere Stelle verwiesen wurden, stillschweigend wieder verschwanden. Aber Joe King hatte wohl von Anwälten und Richtern in seinen Strafprozessen gelernt.
    Laura kämpfte mit sich. Dann nahm sie das Schriftstück, mit dem sie zu ihrem Vorgesetzten zu gehen hatte, und begab sich in das Zimmer des Superintendent.
    Er war allein und studierte eben Rundschreiben, die die einzelnen Reservationsverwaltungen über die Distriktsverwaltungen von der Regierungszentrale für Indianerangelegenheiten zu erhalten pflegten. Der höchste Chef drückte darin seine Unzufriedenheit mit dem bisherigen Zustand aus. Alle Superintendents wurden ermahnt, ein vertrauensvolleres Verhältnis zwischen Indianern und der diesen vorgesetzten Verwaltung herzustellen und den Kampf gegen die Armut energischer und einfallsreicher zu führen. Der Lebensstandard der Indianer, der weit unter dem Durchschnitt liege, müsse gehoben werden. Alle bisherigen patriarchalischen Vorstellungen seien abzulösen durch die allgemeine Devise: Help to help themselves – den Indianern helfen, sich selbst zu helfen. Peter Hawley las und wußte wohl, daß dies die neue Linie seit dem zweiten Weltkrieg war und daß der neue Hohe Kommissar für Indianerangelegenheiten, der Hawley vor kurzem auf die schwierige Reservation versetzt und damit aus seinem gewohnten Lebenskreis herausgerissen hatte, diese neue Linie schneller und wirkungsvoller zur Geltung bringen wollte. Die Worte wirkten alle wohltuend und wohldurchdacht, aber wenn Buchstaben zu Menschen wurden, begannen die Schwierigkeiten.
    Auch das war Peter Hawley bekannt. Der Superintendent Hawley, mit dreißig Prozent Indianerblut in den Adern, seit zwanzig Jahren im Dienst, legte die Rundschreiben achtsam und respektvoll beiseite. Er nahm aus Lauras Hand das Schriftstück in Empfang, las Wort für Wort, fast Silbe für Silbe, fand alles ohne Tadel und freute sich, von seinem Vorgänger eine so gute Sekretärin übernommen zu haben. Er unterzeichnete.
    Da das Mädchen sich nicht gleich wieder entfernte, schaute er sie fragend an.
    »Joe King ist im Vorzimmer und wünscht den Superintendent persönlich zu sprechen. Ich wollte ihn an die Fachdezernate verweisen, aber er besteht darauf, Mister Hawley selbst zu sprechen… oder« – und dies fügte Laura mit besonders spitzer Stimme hinzu –, »oder er wünscht, die Ablehnung schriftlich zu erhalten.«
    Der grauhaarige Superintendent lächelte ein wenig.
    »Er soll hereinkommen.« Es war der erste praktische Fall auf Grund

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