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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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die Höhe, das um den Hals von Harold Booth gelegen hatte.
    »Das ist der Beweis.«
    »Nein.«
    »Hast du Gründe?«
    »Ja. Ich war dabei, als Stonehorn das Kettchen fand.«
    »Du warst dabei? Du hast ihn also nochmals getroffen?«
    »Ja. Als ich das erstemal zu der Töpferei ging.«
    »Und ihr habt dann zusammen das fremde Eigentum einbehalten, das ist Unterschlagung! Dadurch, daß ihr nichts von dem Fund gemeldet habt, ist auch die Nachforschung nach Harold Booth verzögert worden. Queenie! Bist du diesem Kerl schon ganz und gar hörig geworden? Hast du ganz vergessen, wer du bist? Du hast dich mit ihm zusammen strafbar gemacht! Weißt du nicht mehr, wer deine Eltern sind?«
    »Ich habe nicht gestohlen. Das Kettchen gehörte mir. Das können Vater und Mutter bezeugen, denn sie haben es mir geschenkt, als ich vor einem Jahr auf der Kunstschule ein sehr gutes Zeugnis erhielt. Harold muß es mir dann in den Ferien heimlich weggenommen haben, als er mit seinen Eltern auf unsere Ranch kam. Damals hat er auch ein Bild von mir und eines von Henry aufgenommen. Ich vermißte dann das Kettchen. Er hatte immer ein Souvenir von mir verlangt, und ich hatte ihm nie eines gegeben.«
    »Ordentliche Leute sind wohl nicht dein Geschmack. Schade, Queenie, schade um dich. Was wird die Schule sagen!«
    Der Richter brütete vor sich hin. Das, was er zu hören bekommen hatte, machte ihm Herzschmerzen.
    »Darf ich noch etwas sagen?« fragte Queenie.
    »Bitte. Wenn es wichtig ist.«
    »Da Stonehorn das Kettchen gefunden hatte, habe ich es ihm als Andenken geschenkt.«
    Der Richter zuckte auf.
    »Wo fand er es?«
    »Am Straßenrand, ein Stück weit unterhalb der Siedlung hier, in Richtung New City. Es lag da, als ob Harold es weggeworfen habe.«
    Die Angaben stimmten überein.
    Der Richter lehnte sich zurück.
    In den Zügen von Joe King stand nicht einmal Triumph geschrieben. Er war benommen.
    »Queenie«, sagte der alte Mann, »du weißt nicht, was du getan hast, aber es ist nun unwiderruflich, und du hast dir einen schweren Weg gewählt. Vielleicht wird dein Vater dich nicht mehr in seinem Hause dulden, vielleicht wird die Schule dich nicht mehr aufnehmen. Sieh ein, Queenie, daß du deinen Mann zwar entlasten, aber nicht reinwaschen konntest. Er hat schon viel Böses auf dem Gewissen. Das Kettchen entfällt als Beweisstück, aber Harold Booth ist nicht da, und bevor wir ihn nicht gefunden haben, tot oder lebendig, bleibt der Verdacht in der Schwebe. Man wird auf Joe King immer noch mit Fingern zeigen, und auch du wirst jetzt keinen Schritt mehr tun können, ohne daß die Leute dir nachschauen. Ich wünsche dir aber nicht Böses, sondern Gutes. Gewinne deinen eigenen Charakter wieder, Queenie. Du solltest unseren Mädchen ein Vorbild sein… das mußt du erst wieder werden.«
    Der Richter wandte sich an Runzelmann, »Ihr könnt Isaac Booth sagen, es bestehe noch ein wenig Hoffnung, daß sein Sohn am Leben sei, solange wir die Leiche nicht gefunden haben. Wir werden die Vermißtenanzeige weitergeben.« – Dann befahl er den Polizisten: »Nehmt Joe King die Handschellen ab. Der Haftbefehl ist aufgehoben. – Hoffentlich nicht bis zum nächstenmal… Joe King. Du stehst noch immer unter Verdacht, und wenn ich dich frei umhergehen lasse… dann nicht um deinetwillen und nicht um Queenies willen… aber um Queenies Eltern willen. Ihr werdet heiraten?«
    »Ja«, sagte Stonehorn. »Wir sind Mann und Frau.«
    Als die beiden jungen Menschen das Gericht verlassen hatten, gingen sie zusammen die Agenturstraße entlang. Die Gerüchte waren inzwischen lebendig geworden, und wer die beiden bemerkte, schaute ihnen heimlich nach.
    Stonehorn hatte seine lässig-hochmütige Haltung angenommen, mit der er sich gegen das Mißtrauen und die Verdächtigungen abschirmte, die er von seinen Nebenmenschen erwartete. Queenie aber ging unbefangen neben ihm her, als ob dies schon Übung sei. Sie wußte nicht, wo er hinstrebte, aber sie ging mit, ohne zu fragen.
    »Sie haben mir eine Art Bewährungsfrist gegeben, ehe sie mich wieder verhaften«, sagte Stonehorn, als er sicher wußte, daß niemand mithören konnte. »Ich gebe denen auch Zeit. Wenn sie fruchtlos abgelaufen sein wird, hast du keinen Mann mehr, Tashina. Dann werden sie Joe King erst kennenlernen.«
    »Was tun wir nun zuerst, Inya-he-yukan?«
    »Wir gehen jetzt noch einmal zu der Stelle, wo ich das Kettchen gefunden habe. Ich muß mir das genau ansehen. Wenn Harold ein Bandit gewesen wäre, könnte ich

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