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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Hang Queenie stand, stiegen weiße Felsen auf, und am Fuß der Felsen war der Boden feuchter, die Vegetation grüner. Das Land war dort abwechslungsreicher, weniger öde, und im Talgrund führte eine Autostraße entlang. Queenie konnte das Haus sehen. Rinder grasten, und ein Junge jagte eben eine Gruppe von ungezäumten Pferden herbei.
    Queenie wandte sich um, denn Stonehorn kam mit seinem Vater zusammen, um sie zu holen. Sie empfand in diesem Augenblick wieder den Stich, daß sie zu Menschen gehen mußte, die ihr noch fremd waren.
    Der eigene Vater hatte sie zwar ruhig angehört und sein Einverständnis zur formellen Eheschließung gegeben, hatte ihr dann aber ebenso ruhig die Tür gewiesen. Sie sah noch den traurigen Blick, mit dem Mutter und Großmutter sich wortlos von ihr verabschiedeten, und die fassungslosen Gesichtchen der drei kleinen Geschwister, die auf ein Machtwort des Vaters hin der älteren Schwester nicht einmal ein Stück weit das Geleit geben durften. Aber dieser Mann hier, der ihr bis dahin noch ganz unbekannt geblieben war, lud sie sofort ein, als Tochter zu ihm zu kommen. Er war groß, nur zwei Finger breit kleiner als sein Sohn, und schien ungewöhnlich stark. Sein Gesicht war zerfurcht, unter die schwarzen Haare mischten sich graue. Er trug noch zwei Zöpfe nach alter Indianersitte. Obgleich seine Kleidung alt, ausgewaschen, geflickt und wieder zerrissen war, fühlte Queenie weder Verachtung noch Abneigung gegen Old King, sondern eine natürliche Sympathie für ihn, und sie wunderte sich, daß Stonehorn geglaubt hatte, sie könne ein Leben bei seinem Vater nicht ertragen.
    Das Haus, in das Queenie eingeführt wurde, war ein kleines, einfaches, rechteckiges Blockhaus, das einen einzigen Raum umschloß. Es hatte die übliche Bauart der älteren Reservationshäuser. Mit einem Blick überschaute Queenie das Innere. Linker Hand vom Eingang, übereck, befanden sich zwei Schlafgelegenheiten, mit Wolldecken versehene Holzgestelle, die breit genug waren, um zwei oder notfalls auch mehr Schläfern Raum zu bieten. Ein Tisch stand dazwischen. An der Wand am Haken hingen Kleider, in der Mitte des Raumes war der kleine eiserne Ofen aufgestellt, dessen Rohr durch das Dach ging und der auch als Herd diente. Auf einem Wandbrett stand eine Petroleumlampe, in einer Ecke ein ausgedienter Eisschrank. Eine alte Decke lag über Gegenständen, deren Natur nicht ohne weiteres zu erkennen war. Zuletzt entdeckten Queenies forschende Augen noch zwei Jagdgewehre.
    Als Empfangs- und Festbraten gab es einen Fasan, den der Alte geschossen und vorzüglich zubereitet hatte. Er war stolz und freute sich, daß die Schwiegertochter es sich schmecken ließ und seine Kochkunst anerkannte.
    »Du bist, wie eine Frau sein soll«, sagte er nach dem Essen. »Ich habe schon einiges gehört. Es ist richtig, wie ihr das gemacht habt. Nie und nimmer können sie ihm« – er nickte nach seinem Sohn hin – »nachweisen, daß er Harold umgebracht hat. Ihr müßt euch nur nie einschüchtern lassen und immer zu euren eigenen Worten stehen.«
    Queenie schaute auf ihren Mann.
    »Ich habe Harold nicht getötet.«
    Der Alte lachte vergnügt. »Gut, gut, mein Sohn!«
    Queenie nahm sich zusammen. Sie räumte den Tisch ab, verwahrte das Fasanengerippe, das sie am nächsten Tag noch einmal auskochen konnte, und begann die Stube auszukehren. Der Reisigbesen war neu.
    »Den habe ich dir gemacht, weil ich gehört habe, wie fein ihr auf der Schule lebt«, meinte der Schwiegervater. »Du willst es hier sauber haben, das kann ich mir denken. Es wird aber ein paar Tage oder Wochen dauern, bis du über den Schmutz Herr wirst, den zwei Männer immer wieder hereintragen. Wasser ist übrigens ganz in der Nähe.«
    Queenie ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie ging hinaus, Stonehorn kam mit ihr, und die beiden suchten die Eimer und Gefäße zusammen, die noch heil genug waren, um Wasser damit zu holen.
    »Der nächste Brunnen ist drüben bei Booth«, erklärte Stonehorn, »aber dorthin gehen wir nicht.«
    Er lief quer über den Hang voran, und Queenie folgte ihm. Er war rücksichtsvoll genug, nicht so rasch zu gehen, wie er es mit seinen langen Beinen wohl gern getan hätte.
    Der Nachmittagswind kühlte sich schon zu einer Abendbrise ab. Das Gras nickte und neigte sich. Auf dem vernachlässigten Friedhof, nicht weit von Stonehorns Haus, beugten sich die langen, schon gilbenden Gräser um schief stehende Holzkreuze. Nur ein kräftiger, oben gebogener Stab, der mit

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