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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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können den letzten erbärmlichen Rest, der uns vom Land unserer Väter geblieben ist, auch noch verlassen… aber das wollen wir nicht. Wir sind ein Volk geblieben durch eure Reservationen und durch das, was wir auf euren Reservationen seit hundert Jahren erleben mußten. Es können einige von uns gehen, aber ein Kern bleibt. Wir wollen, daß unsere Reservation ein Land für Menschen wird… oder wollen wir tauschen? Laßt uns in euren Häusern hier wohnen, wo es Wasser gibt und Gärten und Springbrunnen und Straßen… und zieht in unsere Hütten, in denen wir uns nicht waschen können, weil wir das bißchen Wasser zum Trinken für unsere Kinder brauchen.«
    Es trat eine Pause ein.
    »Sie wollten mir nicht Vorwürfe machen, sondern Vorschläge, Joe King.«
    »Gebt unserem Stammesrat Freiheit, damit wir wieder Lust bekommen zu arbeiten. Laßt uns mit anderen Reservationen unsere Erfahrungen austauschen. Gebt uns etwas von dem Geld, das ihr nach Afrika tragt und nach Asien, für Brunnen und Bewässerungsanlagen hier. Wir könnten außer Rindern auch Schafe züchten, wir könnten Kleinvieh halten, wir könnten Spezialzuchten von Pferden und von Büffeln aufbauen. Wir könnten das Kunsthandwerk besser entwickeln, wir könnten die Touristik herziehen, wir könnten auch mehr Sport treiben.«
    »Ja, natürlich. Wo und wie wollen Sie den Anfang machen? Es liegt alles nur an euch. Wir sind da, um eure Selbsthilfe zu fördern.«
    Joe King betrachtete den Superintendent fast eine volle Minute schweigend, bedrückend und herausfordernd. Als Hawley nichts weiter sagte, schloß King: »Es liegt alles an uns, an den Wilden, an den Entmündigten, an den Besiegten, an den Beraubten. Aber wir haben nicht die Millionen, die seit einem Jahrhundert für unsere Aufseher und Vormunde ausgegeben worden sind und noch ausgegeben werden. Good bye.«
    »Halt, King. Ehe ich mein ›Good bye‹ ausspreche, möchte ich Ihnen das folgende mitgeben: In den letzten sieben Jahren haben Sie mehr Zeit in Gefängnissen und unter Verbrecherbanden verbracht als auf unserer Reservation. Ich spreche Ihnen jedes moralische Recht ab, über die mühevolle Arbeit von Generationen von Treuhändern abfällig zu urteilen. Arbeiten Sie erst einmal selbst.«
    Um Joe Kings Mundwinkel erschien der abfällig-herablassende Ausdruck, der den Superintendent mehr reizen mußte als die Tatsache, daß der Indianer doch noch das Schlußwort sprach: »Sir, über mich sind Urteile und Fehlurteile ergangen, und ich habe in Ihren Gefängnissen mehr gebüßt, als ich verbrochen habe. Aber was mit meinem Volk geschah und vieles von dem, was heute noch mit uns geschieht, findet keinen Richter, es sei denn, daß er sich in Ihrem Gewissen rührt.«
    Während Hawley in seinem Dienstzimmer, aus dem der Besucher lautlos verschwunden war, einige Minuten hindurch untätig, unwillig und doch nachdenkend saß, traf Joe auf der Straße Queenie, die mit zwei Pferden auf ihn gewartet hatte.
    »Wir sollen uns allein helfen«, sagte er. »Es hat überhaupt wenig Zweck, mit Menschen zu reden, die auf Sesseln sitzen. Uns beiden bleibt nichts übrig, als bei meinem Vater zu wohnen. Niemand anders nimmt uns auf, und nur auf unserem Ranchland finde ich etwas Arbeit. Der eine freigewordene Platz in der Angelhakenfabrik ist schon besetzt; sie haben ihn schnell weggegeben, damit sie mich nicht einzustellen brauchen.«
    »Stonehorn – du hättest auch nicht Tag für Tag zwischen den Weibern sitzen und Angelhaken biegen können, um nicht einmal das zu verdienen, was ein Erdbeerpflücker jetzt verdienen soll.«
    »Meinst du?« Er lachte, ein wenig heiter, weil er seine junge Frau neben sich sah, aber auch mit einem Ton der Selbstverspottung. »Ich habe einmal zwei Jahre solche Arbeiten gemacht, wenn auch nicht zwischen ehrlichen Weibern.«
    Er trieb seinen Hengst an.
    So kam es, daß Stonehorn und seine Frau am Nachmittag bei dem Hause des alten King anlangten.
    Sie sprangen beide ab. Drei magere Hunde kläfften und verzogen sich, als sie den Fußtritt ihres Herrn zu fürchten hatten. Während Stonehorn in das Haus ging, um den Vater zuerst allein zu begrüßen, hielt Queenie wieder die beiden Pferde. Der Hengst hatte sich schon an sie gewöhnt und machte keine Schwierigkeiten. Während sie die Zügel locker hielt und die Tiere grasen ließ, schaute sie über Tal und Berg. Die Prärie hatte hier einen anderen Charakter als in der Umgebung von Queenies Heimathaus. Jenseits eines breiten Tales, an dessen

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