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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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der jüngsten Rundschreiben: Vertrauen gegen Ressentiment.
    Als Joe King eintrat, wurde ihm ein Stuhl angeboten.
    »Bitte – was führt Sie her?«
    Joe King war verwirrt. Er kannte seit Jahren kein Entgegenkommen, sondern nur Krieg, und als er die Worte des Superintendent hörte, verlor er etwas das Gleichgewicht wie ein Mensch, der bereit gewesen ist, sich entgegenzustemmen, und auf einmal keinen Widerstand findet.
    Laura hatte die Polstertür geschlossen und dachte draußen über das wetterwendische und unberechenbare Wesen von Vorgesetzten nach. Dieser Joe King wurde empfangen! Sie ärgerte sich, daß er sich gegen strikte Dienstanweisungen durchgesetzt hatte. Sie war fest entschlossen, sich zu rächen und dem Superintendent in den nächsten Tagen einige Besucher mit unnützen Anliegen auf den Hals zu schicken.
    Im Zimmer des Superintendent hatte Joe King zu sprechen begonnen: »Ich war vor zwei Wochen bei Mister Haverman, aber er hat keine Chance für meine Pläne gesehen. Ehe ich sie aufgebe, wollte ich Sie selbst sprechen.«
    Der Superintendent wiederholte sein »Bitte« durch eine einladende Handbewegung.
    »Der Zustand der Reservation ist unbefriedigend.« Stonehorn sprach schnell, gehetzt, wie jemand, der lange nachgedacht hat und eine einmalige Gelegenheit, seine Gedanken vorzutragen, nicht genügend zu nutzen fürchtet. »Wir haben sehr dürren Boden, wir haben viele Arbeitslose, wir haben viele Trinker, wir haben sehr wenig und sehr schlechtes Wasser und noch weniger Brunnen, mit denen wir Grundwasser heraufholen können. Die meisten von uns sind falsch ernährt oder unterernährt, viele sind krank. Die Sterblichkeit, besonders unter den Kindern, ist immer noch sehr groß. Unser Land hier ist abgelegen vom Verkehr; es ist schwer, Industrie herbeizuziehen, und Ihre Unternehmer trauen dem indianischen Arbeiter nicht. Der Staat, in dem auch wir Indianer Bürger und Soldaten sind, gibt jährlich Millionen und vielleicht Milliarden an Völker in anderen Kontinenten, damit sie, wie es heißt, ihre Wirtschaft entwickeln können. Wir aber haben eine teure Verwaltung auf dem Halse, und das Geld, das wir erhalten und das uns immer vorgeworfen wird, wie man dem Bettler das Almosen vorwirft, ist nur ein Cent gegen die Dollars, die nach außerhalb gegeben werden. Es ist sogar unser eigenes Geld, Vertragsgeld, das man uns vorenthält, um es von anderen verwalten zu lassen. Selbst über das, was wir bekommen, können wir nicht selbst entscheiden. Wir können Ihre Fehler nur immer hinter Ihrem Rücken kritisieren, denn es fehlt uns eine legale Möglichkeit, uns Gehör zu verschaffen, und wir haben keine Gelegenheit, aus eigenen Fehlern zu lernen. Wir sind entmündigt. Sind wir keine Menschen?«
    Der Superintendent schaute vor sich hin. »Ich kenne alle diese Argumente, Mister King, wenn sie mir auch noch nie derart einseitig und anmaßend vorgetragen wurden. Ich könnte Ihnen natürlich mit Gegenvorwürfen antworten. Das Reservationsland war groß, aber seine Bewohner haben schlecht gewirtschaftet, sie haben sich bitteren Tränen hingegeben, statt zu arbeiten, sie haben ihre Renten vertrunken, statt ihre Kinder damit zu ernähren – davon können Sie selbst ein Lied singen –, sie haben ihre Söhne und Töchter von der Schule fernzuhalten versucht, bis wir sie mit der Polizei holen mußten. Auch das wissen Sie selbst nur zu gut. Ihr Indianer habt endlich Land an Weiße verkauft, und dieses Land, das beste Land, fehlt jetzt der Reservationswirtschaft. Wir aber haben Schulen gebaut – Ihre eigene Frau genießt eine ausgezeichnete Ausbildung –, wir haben das Krankenhaus gebaut, wir haben ein Altersheim gebaut, wir bezahlen Lehrer, wir bezahlen Ärzte, wir bezahlen Schwestern, und die Kinder können etwas lernen. Reservations-Indianer sind nicht steuerpflichtig, und auch der Arbeitsfähige erhält Arbeitslosenunterstützung. Wer will, kann die Reservation verlassen. Ein qualifizierter Arbeiter findet in unseren Staaten überall sein Brot.«
    Joe King war aufgestanden. »Ja, wir haben zu lange geträumt, das ist wahr. Ihr habt uns das Land genommen, und ihr habt uns Renten versprochen, das war ein böser Tausch. Als wir keine Waffen mehr hatten, habt ihr uns noch mehr Land weggenommen. Jeder Familie habt ihr das Land für eine und eine halbe Kuh gelassen… und ihr habt euch gewundert, daß die Familien verkaufen mußten und zu trinken anfingen, um wieder träumen zu können. Wir können gehen… sagen Sie… ja, wir

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