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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ausgerottet. Sicher hat sie nicht allein Schmuggelgeschäfte betrieben.«
    Hawley zuckte zusammen, seufzte und lenkte ab. »Wodurch soll man dieses Übel überhaupt ausmerzen? Der Alkoholismus scheint ein im indianischen Nationalcharakter tief verwurzeltes Laster zu sein.« Peter Hawley wurde bei seinen Worten rot, denn er mußte an einige seiner Vorfahren denken, die ehrenhafte Männer und Frauen gewesen waren, ebenso wie der Indianer Crazy Eagle, der ihm jetzt gegenübersaß. Aber Crazy Eagle, der nicht wahrnahm, wie die Schamröte dem Superintendent von den Wangen bis zu den Schläfen stieg, blieb kühl bei der Sache.
    »Mir scheint, Sir, es trinken zwei große Gruppen von Menschen im Übermaß, diejenigen, die bequem leben und Zeit verschwenden – seien es auch nur zwei Tage in der Woche –, und diejenigen, die elend leben und hoffnungslos. Zu den letzten gehören unsere indianischen Trinker.«
    »Lassen wir die allgemeinen Erwägungen beiseite, Crazy Eagle, und entscheiden wir das, was in unserer Kompetenz liegt. Wie wird das Verfahren in der Sache King weitergehen?«
    »Es wird gar nicht weitergehen, Sir. Mit Laura verschwindet es aus der Welt. Niemand wird Joe King einen großen Vorwurf daraus machen können, daß sein Vater getrunken hat… was übrigens unserer Missis Carson schon seit fünfzehn Jahren und der ganzen Reservation noch viel länger bekannt gewesen ist.«
     

Rodeo
     
    Es schien Eivie gewesen zu sein, der Stonehorn zur Teilnahme an dem Rodeo, das in einigen Wochen in New City stattfinden sollte, überredet hatte. Queenie war überrascht, daß ihr sonst so selbstsicherer Mann in diesem Falle hundert Bedenken, um nicht zu sagen Minderwertigkeitskomplexe hegte und in einer Stimmung zu sein schien wie ein Schüler vor dem Baccalaureat.
    »Du wirst es aber bestehen«, sagte sie. »Alle glauben das.«
    Er zuckte die Achseln. »Die Welt ist ganz anders, als du auch nur ahnen kannst, Queenie. Du bist in einer Schule air-conditioned erzogen…« – Und als Queenie fragend auf ihren Mann schaute, ob denn die Erfahrungen, die sie seit kurzem gemacht hatte, nicht doch Gewicht hätten, fügte er hinzu: »Und außerdem auf einer Reservation. In einem Gewächshaus also, in einem üblen Gewächshaus vielleicht, jedenfalls nicht in freier Luft. Du wirst dich noch wundern, was dir alles um die Nase wehen kann.«
    Worauf er damit zielte, wußte Queenie nicht, aber ihn zum Sprechen und zu Erklärungen zu bringen, wenn er schweigen wollte, war unmöglich.
    Stonehorn und Queenie-Tashina unterhielten sich also nur noch über praktische Spezialfragen. Die Nachricht, daß auch das Bild ›Verschleierte Hände‹ verkauft sei, war gekommen und bald darauf das Geld. Es war eine noch höhere Summe, als der erste Interessent geboten hatte, und Queenie war nicht nur darum froh, sondern auch um das Nicht-Wissen, das um diesen Verkauf lag. Sicher war auch der zweite Interessent kein Mann der Geheimnisse. Aber sie hatte ihn nicht sehen müssen, und so stand ihr frei, sich vorzustellen, was sie wünschte.
    Die Summe wurde eingeteilt. Stonehorn kaufte einen Unfallwagen für einen überraschend billigen Preis. Die Karosserie war für Autofriedhof und Schrottmühle reif, aber der Sportmotor war noch nahezu intakt und in einer Werkstatt bald wieder ganz hergestellt. Stonehorn schleppte sich drei herrenlose Wracks zu seinem Haus und wechselte die Karosserie. Das Herumbauen machte ihm Freude. Er fand auch eine zweite Stute, an der er wenig aussetzen konnte, außer daß sie verhältnismäßig teuer war.
    Schließlich blieben die Summe für den Einsatz bei den Rodeo-Wettbewerben und eine Reserve… nein, nicht die ganze Reserve, denn King entschied plötzlich, daß für dieses Geld schon Hafer und Heu für den Winter gekauft werden mußte.
    Im Hause herrschte Ruhe. Queenie hielt alles sauber und in Ordnung, und seitdem sie nicht mehr befürchten mußte, daß die Möbel kurz und klein geschlagen wurden, gab sie sich noch mehr Mühe, anstelle des völlig zerstörten Inventars eine Einrichtung nach ihrem und ihres Mannes Geschmack zustande zu bringen. Regelmäßig ging sie auf den nahen Friedhof und hielt ihre stillen Zwiegespräche mit dem unglücklichen alten Mann, der nun unter der Erde lag und dem sie versprochen hatte, ihn nicht zu vergessen.
    Einmal hatte die Großmutter sie besucht, sich an dem neuen Heim gefreut und angedeutet, daß der Vater nun nicht mehr unversöhnlich gestimmt sei. Übers Jahr werde Queenie wohl wieder

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