Nacht über der Prärie
Toter redet nicht mehr.«
»Du darfst da nicht hingehen, Stonehorn.«
»Hör mir auf mit solchen Sentimentalitäten. Das kann ich nicht vertragen. Ich habe mich hier mit dir zusammengesetzt, damit wir vernünftige Pläne schmieden, und nicht, damit wir Schwachheiten flüstern. Es kann also sein, daß du in ein oder zwei Tagen ohne mich auf der Welt stehst. Du weißt, ich habe es mir lange überlegt, ob ich zu diesem Rodeo gehen soll. Ich gehe auch nicht deswegen hin, weil Eivie mich dazu überredet hat. Stonehorn ist nicht der Mann, der sich beschwatzen läßt. Ich gehe hin, weil es doch einmal ausgetragen werden muß, und bei diesem Rodeo wird mehr los sein und mehr Aufsehen entstehen, und ich kann ihnen mehr zusetzen, als wenn ich irgendwann einmal allein in diesem New City auftauche, um Hafer zu kaufen oder Elk zu besuchen oder mich bei meiner Schwester sehen zu lassen. Da können sie mir auflauern und mich unter der Hand verschwinden lassen. Sie könnten auch auf die Reservation kommen. Ich warte jedenfalls nicht ab, was die anderen planen, sondern ich stelle mich. Ich stelle mich in einer Situation, die ich mir ausgesucht habe und die ich ausnützen werde bis zum letzten Atemzug.«
»Ich heirate aber keinen anderen, Stonehorn. Nie.«
»Du mußt wissen, was du willst. Verdienen kannst du allein genug mit deiner Malerei – für dich und für das Kind. Aber ich dachte, du würdest hier auf der Reservation etwas ausrichten… auch für die anderen… damit sie ein Vorbild haben und wieder Mut bekommen. Deshalb mußt du entweder die Ranch weiterbetreiben, und dazu brauchst du einen Mann, besonders im Winter, oder du mußt dich einem Betrieb anschließen.«
»Du hast mit der Ranch angefangen. Ich will, daß es damit weitergeht.«
»Mit dem Wollen allein ist es nicht getan. Man muß es können. Du wirst ja sehen. Jedenfalls weißt du jetzt, worum es geht. Aber es gibt noch eine Neuigkeit, die du erfahren sollst.«
»Hoffentlich eine bessere.« Queenie wunderte sich selbst, wie sachlich zu sprechen sie imstande war, weil Stonehorn es so wollte.
»Eine spaßhafte jedenfalls. Harold Booth ist wieder da.«
»Harold? Auf der Farm?«
»Noch nicht. Ich habe ihn in New City gesehen.«
»Ein Glück! Nun ist aller Verdacht aus der Welt geschafft.«
»Ehe es mit mir aus sein wird, Tashina, wünsche ich ihn in das Konzert um Gottes Thron, und er kann dort den Baß singen. Wenn er nicht falsch singt. Er sollte nicht der Nachbar von Joe Kings Witwe werden.«
Ehe Tashina auch nur das geringste Zeichen einer Antwort geben konnte, war Stonehorn aufgestanden, und als sie das gleiche tat, legte er seinen Arm um ihre Schulter. Die beiden schauten zu den weißen Bergen hinüber, die nach Sonnenuntergang in einem Nebelschleier ihre Geheimnisse bargen.
»Hat mein Vater dir gesagt, daß jene Berge das Grabmal unseres größten Häuptlings sind…?«
»Er sagte es.«
»Wir brauchen kein Monument. Wir wissen nicht, wo er begraben liegt. Seine Mutter ruht auf dem Friedhof neben uns. Du kannst dich manchmal auch zu diesem Stück Erde setzen.«
»Ja.«
Langsam gingen die beiden zu ihrem Haus zurück.
Als sie gegessen hatten und beieinander lagen, fragte Tashina: »Stonehorn, was kann ich tun? Ich liebe dich viel mehr als mein Leben.«
»Ich nehme dich beim Wort. Bleib daheim, wenn ich zum Rodeo gehe.«
Tashina erschrak: »Nein. Das nicht. Das darfst du nicht verlangen.«
Er sagte nichts weiter. Es war die letzte Nacht, die sie daheim beisammen waren, denn als Teilnehmer fuhr Stonehorn einen Tag früher zur Rodeo-Stadt als die Zuschauer.
Auch der neue Morgen war wieder stürmisch. Gegen Mittag kam Tashinas Großmutter, zu Pferd. Sie wollte das Opfer bringen, wollte auf das Rodeo verzichten und unterdessen für die Pferde sorgen und das Haus behüten. Sie war eine alte magere Indianerin mit strengen Zügen und dünnem grauem Haar, das sie in der Mitte gescheitelt trug. Sie war über neunzig Jahre alt und hatte die letzten Freiheitskämpfe und die schwersten Anfangszeiten der Reservation als Kind noch miterlebt. Es gab kaum etwas, was sie erschrecken konnte. Als Tashina diese Frau sah, wurde sie im Innern ruhiger. Wie oft hatten Indianerfrauen es erlebt, daß ihre Männer in den Kampf zogen, und nie hatten sie gewußt, ob sie wiederkehren würden.
Um Mittag saßen Stonehorn und Tashina in ihrem Wagen. Die Großmutter winkte nicht, aber sie schaute den beiden noch nach, als der Wagen schon auf der Talstraße unten angelangt
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