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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht…«
    »Ich werde dir das erklären, Tashina. Du denkst, und das denken die meisten, Stonehorn ist ein guter Reiter, und er ist ein guter Lassowerfer, und er ist kräftig und schnell, er kann auch einen Stier an den Hörnern packen und niederzwingen. Er wird also einen Preis gewinnen, vielleicht nicht gleich den ersten und vielleicht nicht in allen Wettbewerben, zu denen er sich gemeldet hat. Aber er wird mit Ehren bestehen, zumindest mit guten Punkten. Er wird die Zeiten machen. Es ist nicht das erstemal, daß er auf einem Rodeo reitet.«
    Queenie lehnte sich an Stonehorns Schulter, und er lächelte wieder das gute Lächeln, das sie in der Sturmnacht zum erstenmal an ihm gesehen hatte.
    »Aber das Leben hat viele Seiten, Tashina, und in New City sind wir nicht in einem Gewächshaus, und es gibt dort keinen Temperaturregler. Es wird heiß hergehen, sehr heiß – also in einer Art, die auch ein Joe King heiß nennt –, und ich weiß nicht, ob du mich nicht bald neben den Vater dort drüben legen mußt, falls du meine Leiche überhaupt findest.«
    »Stonehorn! Ich begreife das noch immer nicht. Ich will es auch nicht begreifen.«
    »Das ist falsch, das ist air-conditioned, was du jetzt gesagt hast. Das ist Senior-Schülerin der High-school, das ist nicht Tashina, und das ist nicht Prärie.«
    »Vielleicht hast du recht. Ich wollte meine Ohren schon verschließen. Aber ich werde sie offenhalten. Sprich.«
    »Du erinnerst dich an unsere erste Nacht…«
    »Ja…«
    »Ich bin damals fortgeritten, ohne dich mehr zu grüßen, weil ich einen zu verfolgen hatte. Er ist mir aber entkommen, und das war nicht gut. Er hat mich natürlich nicht angezeigt, weil er selbst zuviel auf dem Kerbholz hat und die Polizei scheut wie ein Huhn das Wasser. Er hat sich aber einer anderen Gang angeschlossen. Es ist eine kleine, exklusive Bande, so wie es auch die meine gewesen ist, abhängig natürlich von den großen Syndikaten, die einen ausnutzen. Vielleicht fünf oder sechs Mann, aber jeder soviel wie dreie wert – ich meine soviel wie drei qualifizierte Gangster. Er haßt mich, wie ein Totschläger hassen kann, und ich bin in den Augen dieser Leute schlechter als ein stinkendes Aas… ich bin ein Verräter, ich habe meine eigenen Brüder gekillt. Sie warten nur auf die Gelegenheit, mich abzuschaffen. Wenn das Bandengesetz verletzt ist, halten die Gangs zusammen, um es wieder zur Geltung zu bringen. Ich bin zum Tode verurteilt, nicht von Crazy Eagle und Co. sondern von Leuten, die ihre eigene Gerichtsbarkeit haben und ein Urteil selbst zu vollstrecken pflegen.«
    »Bleib hier, Stonehorn. Warum hast du das angenommen, nach New City zu gehen?«
    »Ich war schon ein paarmal dort. Das weißt du ja. Um den Wagen zu kaufen und den Hafer und so weiter. Ich muß informiert sein. Sonst ist alles schon verloren, ehe es überhaupt beginnt. Ich will mein Leben aber teuer verkaufen.«
    Queenie schauerte zusammen. Der Wind war kalt.
    »Ich habe auch noch Verbindungen, von denen die anderen nichts wissen. Aber alles in allem… wenn ich es nüchtern berechne… werden sie die Stärkeren sein.«
    »Gibt es so viele Gangster in New City?« fragte Queenie. »So viel ist dort doch gar nicht zu holen.«
    Stonehorn lachte leise, aber hörbar. »Es ist wirklich nicht viel zu holen in dem Städtchen, außer ein wenig Rauschgift im Zwischenhandel. Aber durch die neue Industrie hat sich allerhand Volk dahin gezogen, und es ist mit seinen Slums eine Axt Arbeitskräftezentrum und Vorschule für Banditen geworden, die dann später zu lukrativeren Plätzen gehen. Manchmal sind die Anfänger nicht die Schlechtesten. Sie müssen erst etwas werden, und sie riskieren unbedachter. Sie geben sich auch noch mit verhältnismäßig kleinen Sachen ab. Natürlich sind in New City keine bedeutenden Gangs. Es kann aber sein, und es wird so sein, daß sich zum Rodeo auch Leute von außerhalb einfinden, und an mir wollen sie ein Exempel statuieren, was es bedeutet, abtrünnig zu werden. Ich will nicht lebend in ihre Hände fallen. Dann wäre ich noch lieber an den Marterpfahl meiner Vorfahren gegangen. Das war wenigstens ein zeremonielles Ereignis mit achtungsvollen Zuschauern, und der Nachruhm blieb. Wenn die aber anfangen zu arbeiten, von denen ich jetzt spreche, so bleiben höchstens ein paar Fleischklumpen übrig.«
    »Kannst du die Verbrecher nicht der Polizei angeben?«
    »Liebes Kind! Bevor sie etwas getan haben? Und wenn es erst geschehen ist – nun, Tashina, ein

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