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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hat eine Schlägerei und einen Toten gegeben. Ein paar Männer werden einige Zeit im Gefängnis nüchtern sein. Solche Vorgänge spielen sich leider seit Jahrzehnten und immer wieder ab. Aber da Sie sich selbst zu mir herbemüht haben, scheinen Sie im gegebenen Fall weitere Zusammenhänge zu vermuten, über die Sie mich unterrichten wollen… auch abgesehen davon, daß sich das alles wieder einmal im Hause King abgespielt hat. Diese Familie hat offenbar ein hervorragendes Talent, Schwierigkeiten zu machen. Ich habe das schon den Akten meines Vorgängers entnommen.«
    Crazy Eagle konzentrierte seine Gedanken auf den Tonfall des Superintendent, da er dessen Mienenspiel nicht sehen konnte. »Die Polizei forscht nach, Sir, woher der Brandy in solchen Mengen kam. Es war nicht nur ein einzelnes Trinkgelage; es ist mehrmals im Übermaß getrunken worden, wahrscheinlich eben in diesem Kreise seit Jahren. Das erste hat Queenie King, das zweite hat Joe King zugegeben, der diesmal überraschenderweise die Aussage nicht verweigerte.«
    »Worauf deutet das Ihrer Ansicht nach hin?«
    »Daß er irgend jemanden bloßstellen will und auch bloßstellen kann.«
    »Sogar auf die Gefahr hin, daß er selbst mit in die Grube fällt?«
    »Ich glaube, daß Joe King in dieser Sache saubere Hände hat. Es geht um etwas anderes. Es könnte sein, daß er einen Stammesgenossen bloßstellen muß, wenn er etwas aufdecken will, und das ist bei diesen Familien nicht üblich. Es gilt sogar als eine Schande und ein Hauptverbrechen.«
    »Sie gehören nicht zu diesem Stamm hier?«
    »Meine Frau gehört dazu, und ich bin als Mitglied aufgenommen und bestätigt worden, als wir heirateten. Es ist ungewöhnlich, daß der Mann die Stammesangehörigkeit der Frau annehmen darf.«
    »Aber in diesem Fall ist es ein Glück. Auf welche Weise wollen Sie die Angelegenheit weiter verfolgen?«
    »Wir können Miss Laura hereinholen?«
    »Sie wollen zu Protokoll geben?«
    »Vielleicht wird es nützlich sein.«
    Der Superintendent drückte auf den Knopf, und Laura erschien. »Laura«, sagte der Blinde betont, »es ist soweit… wir haben festgestellt, über welche Verbindungen der Brandy auf die Reservation geschmuggelt wurde. Da Sie selbst für das aufzunehmende Protokoll zu befangen sein dürften, rufen Sie bitte eine Kollegin, am besten Missis Kate Carson…«
    Laura stieß einen unartikulierten Laut aus.
    »Sind Sie sich klar über das Verbrechen, bei dem Sie hier mitgewirkt haben!« schrie der Blinde das Mädchen an. Er konnte Laura nicht sehen, aber er hörte den stockenden Atem.
    »Rufen Sie Missis Carson, alles andere später. Sie warten dann im Vorzimmer.«
    Laura ging. In ihrer Aufregung trat sie mit dem Pfennigabsatz schief, der Hacken brach ab, sie mußte den Schuh vom Fuß ziehen und hinkend verschwinden.
    Als sie draußen war, sagte der Superintendent: »Leider völlig eindeutig. Aber warten wir ab, was Missis Carson sagen wird.«
    Die blondierte, füllige, nicht unintelligente Vierzigerin war in zwei Minuten zur Stelle.
    »Was hatten Sie eben für einen Eindruck von Laura?« fragte Hawley.
    »Desolat. Was hat sie angerichtet?«
    »Brandy geschmuggelt.«
    »Um des Himmels willen! Aber ich hatte die Göre schon lange im Verdacht. Hätte ich nur früher etwas gesagt. Wo hatte sie immer das Geld her! Reiche oder unsolide Männer gibt es hier gar nicht. Und jetzt die Blamage für unsere Agentur! Das geht bis Washington. Es ist nicht auszudenken.«
    Hawley sah Ed Crazy Eagle so scharf an, daß dieser die Energieschwingungen bemerkte, obgleich er blind war. »Vollkommen klar jetzt, wen der Besagte hereinlegen wollte… mich! Ich hatte kürzlich eine scharfe Auseinandersetzung mit ihm.«
    »Was werden Sie tun, Sir?«
    »Mich jedenfalls nicht ausgerechnet von diesem Burschen ruinieren lassen. An meinem Ansehen hängt das Ansehen unserer Verwaltung. Meine Sekretärin… das sind wir alle. Unvermeidlich. Also werden wir diese Sache nicht auf gerichtlichem Wege erledigen, sondern durch Verwaltungsmaßnahmen.«
    »Ausgezeichnet«, lobte Kate Carson erleichtert.
    »Laura wird auf eine andere Reservation versetzt. Ihre Verbindungen hier reißen damit automatisch ab, und ich benachrichtige meinen Kollegen dort, daß man ihr scharf auf die Finger sehen muß und sie nur in leicht kontrollierbaren, untergeordneten Tätigkeiten beschäftigen kann.«
    »Einverstanden«, meinte Crazy Eagle. »Es hat auch keinen Zweck, sie zu bestrafen, denn das Übel wird dadurch nicht

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