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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hingelegt hatten und Stonehorn mit Elk und Russell vor dem Hause saß, berichtete Russell, was er vor den Ohren der jungen Frau nicht hatte sagen wollen:
    »Jenny ist ihnen entkommen. Sie haben alles durchgekämmt, aber er war nicht mehr da. Der Pontiac ist beschlagnahmt, aber der Buick ist weg… Mikes Buick. Sie haben die Meldung überall durchgegeben, an alle Tankstellen, an alle Polizeistreifen. Ich fürchte, damit haben sie kein Glück. Irgendwer wird ihn irgendwo untergestellt haben, wo sie ihn nicht vermuten. Mike ist übrigens tot. Er ist nicht mehr zu Bewußtsein gekommen und wenige Stunden nach diesem merkwürdigen Fest gestorben. Die Prominenz seiner Gang ist von Jenny niedergemäht worden. Und dieser Bursche hat nicht einmal vor seinen eigenen Leuten haltgemacht.«
    Stonehorn sagte lange nichts, dann teilte er seinen Entschluß mit: »Heute nachmittag fahre ich mit Queenie auf die Reservation zurück. Ich will bei Tag fahren.«
    »Soll ich mitkommen?« bot Russell an.
    »Du? Dein Wagen ist zu langsam, und in dem unseren sind nur zwei Plätze.«
    »Außerdem willst du mich schonen?!«
    »Wieso!«
    »Nimm dich in acht, Joe.«
    »Wem sagst du das?«
    »Sind nicht vielleicht noch andere in New City, mit denen du zurückfahren kannst? Du hast doch etwas erzählt von Reservationsangestellten!«
    »Russell, ich will dir sagen, daß ich mal wieder genug habe. Erst schießt mir die Polizei dazwischen, dann der Wächter. Auf diese Weise kann man doch keine gute Arbeit machen. Ich muß allein sein.«
    »Mit Queenie?«
    »Die hat bisher am wenigsten Fehler gemacht. Wie sie Jennys Revolver noch rechtzeitig am dunklen Fenster bemerkte und sich schnell genug fallen ließ, das war schon fast mehr als Lehrling.«
    »Tatsächlich, Joe.«
    Um zwei Uhr nachmittags, um die gleiche Zeit, um die am Tag vorher das Rodeo begonnen hatte, fuhr der Wagen der Kings, umwinkt von Elk, seiner Familie, von Russell und von Margret mit ihren fünf Kindern, langsam aus der Siedlung hinaus und war auf der Straße rasch verschwunden. Queenie saß am Steuer. Die Kings wurden einmal in der Stadt, einmal beim Verlassen der Stadt kontrolliert. Die Kontrollposten waren überall verstärkt, am Stadtrand sogar durch ein kleines Kommando mit Maschinenpistolen. Ein Jeep stand bereit, um notfalls eine Verbrecherjagd aufnehmen zu können. Jenny war in dieser Nacht vor aller Augen zum Massenmörder geworden, den zu fangen ein Polizeiaufgebot lohnte.
    Die Papiere der Kings waren in Ordnung. Queenie ging auf die für diesen Straßenabschnitt unbedingt zulässige Tagesgeschwindigkeit von fünfundsechzig Meilen und lernte, mit dem Sportcabriolet zu spielen. Stonehorn war ein vorsichtiger Kritiker, der die Freude am Lernen nicht verdarb.
    Das Wetter drohte wieder umzuschlagen. Es war nicht nur windig, sondern wurde stürmisch. Die Wolken beeilten sich, erst wie unwillig, dann hatten sie sich mit dem Sturm eingelassen und zogen zerfetzt in schnellem Tempo am Himmel dahin. Die Straße war betoniert, aber über die Prärie wirbelte Staub und trieb über die Fahrbahn.
    Der Wagen passierte das Schaugelände mit dem Wächterhaus. Von nun an war die Umgebung rings völlig menschenleer.
    Nachdem sie einige Zeit gefahren waren, fragte Stonehorn: »Hast du etwas gemerkt?«
    »Ja! Es kommt uns einer nach. Er fährt wie ein Verrückter.«
    »Wenn das nicht mindestens ein Buick ist, will ich blonde Locken haben.«
    Stonehorn hatte die Pistolen neben sich liegen und nahm sie jetzt am Schulterriemen um. Er ging ans Steuer, gab Gas und fuhr unzulässige Geschwindigkeit. Es begann ein Wettrennen in lebensgefährdendem Tempo.
    Stonehorn hatte sofort seinen Plan gefaßt, denn er war überzeugt, Jenny hinter sich zu haben, und er wußte, daß Jenny ihn und Queenie angreifen würde, sobald er mit seinem Buick das Sportcabriolet einholte. Ohne Zweifel führte Jenny auf seiner Flucht Schußwaffen mit. Wie Jenny durch die Polizeisperren gekommen sein mochte, darüber war jetzt nicht Zeit nachzudenken. Joe ging auf seine Höchstgeschwindigkeit, hundertzwanzig Meilen; die Prärie rechts und links des Wagens war nur noch ein grau-grün-gelbes Etwas, das vorbeiflog.
    Vor ihm lief der wegweisende weiße Strich. Er hatte beide Hände am Steuer mit festem und zugleich elastischem Griff. Die Straße war neu und gut, wenn sie auch nicht zu den breitesten gehörte. Die Kurven waren ausgezeichnet angelegt. Es gab praktisch keinen Gegenverkehr, im Augenblick auch keinen dritten Wagen auf der

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