Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
offenbar wurde.
    »Also wahrhaftig; Jenny. Auf den elektrischen Stuhl wäre der Massenmörder sowieso gekommen. Er hat in der Nacht nicht nur Banditen und Cowboys abgeknallt, sondern auch einen Wächter und zwei Polizisten. Je eher er gehindert worden ist, noch mehr Menschen umzulegen, desto besser. Wird es wohl etwas zu eilig gehabt haben, der lockige Herr. – Ihre Adresse, Mister King, haben wir ja. Sie wohnen jetzt wieder auf der Reservation?«
    »Ja.«
    »Sie sind verletzt?«
    »In der Saalschlacht angeschossen worden.«
    »Danke. Sie können nach Hause fahren. Wenn es noch weitere Fragen geben sollte, stehen Sie zur Verfügung?«
    »Ja.«
    Man verabschiedete sich.
    Stonehorn zog mit Queenie das Verdeck über den Wagen, ging wieder an das Steuer und ließ den Motor an.
    Nach einigen Minuten der Fahrt fragte Queenie: »Was könnten sie denn noch von dir wissen wollen?«
    »Ich bin fast der einzige Überlebende aus Mikes und Jennys Umgebung, der vielleicht etwas wissen könnte, und ich bin in der Beat-Nacht wieder lange genug mit den beiden zusammen gesehen worden. Nachdem zwei Gangs geköpft sind wie die Disteln, müssen sie die Wurzeln auszureißen trachten. Das bedeutet für mich gute Zigaretten, freundliche Worte, vergessene Vorstrafen und zwielichtige Angebote oder auch ersten bis dritten Grad.«
    »Du willst schweigen?«
    »Ich weiß nichts. – Ich kämpfe, aber ich singe nicht. Ich bin ein Indianer.«
    Er pfiff und nahm dann im Fahren eine Zigarette zwischen die Lippen. Queenie hielt ihm das Feuerzeug, und es verbreitete sich ein scharfer Duft.
    Queenie-Tashina legte die Hände auf den Leib, in dem ein neues Leben wachsen wollte. Ihre Augen waren feucht. Sie wußte nicht genau, was das bedeutete, wovon ihr Mann gesprochen hatte, aber sie wußte, daß jedem Bürger bei den Worten ›dritter Grad‹ ein Schauer über den Rücken lief. Doch eines war nun wenigstens gewiß: Von denjenigen, die ihren Mann wieder zum Verbrechen zwingen oder ihn verfolgen und ermorden wollten, atmete keiner mehr. Ihren Mann aber wußte sie unter den Lebenden. Sie brauchte ihn nicht auf dem Friedhof zu suchen, wie sie beide gefürchtet hatten.
     

Sonntagnachmittag
     
    Als die Agentursiedlung erreicht war, fuhr Stonehorn langsam zwischen den Büro- und Privathäusern und zwischen den parkenden Wagen hindurch. Es war Sonntag nachmittag. Kein Mensch ließ sich außerhalb des Hauses sehen. Selbst das kleine Cafe hatte geschlossen. An der Kreuzung kurz nach dem Stammesgerichtshaus, an der der Blick auf das Hospital und die Siedlung des Gesundheitswesens frei wurde, zögerte Joe.
    »Ich möchte jetzt gleich zu Doc Eivie fahren und mich in Ordnung bringen lassen. Er ist zu Hause, sein Wagen steht vor der Tür. Wer weiß, was morgen ist, und ich spare auch Benzin. Hast du noch Kraft?«
    »Ich bin nur froh, wenn wir gleich zum Doc gehen.«
    Eivie, obgleich nur einfacher Mediziner und ohne das Doctorat, wurde von seinen Patienten und Freunden stets ›Doc‹ genannt, so oft er diese Anrede auch ablehnen mochte. Sein einstöckiges Holzhaus, nach üblichem Typ gebaut, stand auf einer sanften Bodenerhebung nicht weit von dem Hospital. Das langgestreckte Schiebefenster des Eß- und Wohnraumes war erleuchtet, aber die vorgezogenen Gardinen gaben den Blick in das Innere nicht frei. Die Kings stellten ihren Wagen bei dem des Hausherrn ab und klingelten. Sie warteten nur wenige Sekunden, und schon erschien Eivie, um zu öffnen. Er war Junggeselle, und seine Wirtschafterin wohnte außerhalb. Am Wochenende war er auf sich selbst angewiesen.
    Stonehorn brachte mit kurzen Worten seine Bitte vor.
    Eivie musterte Joes eingefallene Züge, roch das Blut in den unzureichenden Notverbänden und schaute prüfend auf Queenie. Dann entschied er. »Ich gehe sofort mit Ihnen zur Unfallstation, Joe. Ihre Frau kann sich unterdessen bei mir hier ausruhen und einen Tee trinken. Moment!«
    Während Stonehorn schon zu dem Arztwagen ging, führte Eivie Tashina zu dem Wohnzimmer und rief, in der Tür stehend: »Margot, kümmern Sie sich bitte um den flügellahmen jungen Schwan hier. Ich gehe eben zum Hospital und bin in kurzem wieder zurück!«
    Margot Crazy Eagle kam sofort herbei, nahm Queenie zuerst zu dem Badezimmer mit, in dem warmes und kaltes Wasser so reichlich lief wie in dem Schülerinnenwohnhaus der Kunstschule, und führte sie dann in den Kreis der Sonntagnachmittagsgäste ein, die sich bei Eivie eingefunden hatten.
    Man begrüßte sich mit »Hallo« und

Weitere Kostenlose Bücher