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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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über dessen Ermordung der zweite Wächter schnell seine Aussagen machte. Russell war ein bekannter, zuverlässiger Bürger von New City, Joe in den Augen der Polizei zwar ein vorbestrafter Krimineller, aber im Augenblick Rodeo-König und nach wie vor ohne Schußwaffe. Joes Hemd war blutig. Wenn er jedoch nicht selbst um Hilfe bat, brauchte sich wohl im Augenblick niemand um ihn zu kümmern.
    Die Polizei erhielt den Befehl, den ganzen Block zu umstellen und insbesondere die unbewohnten baufälligen Häuser zu beobachten.
    Die Horde der Fans und die tanzwütige Menge waren im Abströmen. Nur hin und wieder gellten noch die Schreie von solchen, die nicht aufhören konnten. Die große Baracke war stehengeblieben. Das Podium und die rohen Tische, die zu Bruch gegangen waren, bedeuteten keinen ernst zu nehmenden Schaden für den Unternehmer, ebensowenig die zersplitterten Flaschen und der ausgelaufene Brandy. Die Instrumente der Newt Beats waren hoch versichert. Was verloren gegangen war, das waren Menschenleben.
    Während ein Teil der Polizei-Einheiten das alte Viertel abriegelte und die Bewohner der neuen Häuser, die sich dazwischen befanden, dadurch erschreckte, waren andere damit beschäftigt, die Toten abzutransportieren und zu identifizieren.
    Stonehorn und Russell gingen zu Russells Wagen, und Stonehorn half Russell, den Ersatzreifen zu montieren. Die beiden fuhren zu Elk. Russell hatte Queenie gebeten, ihren Wagen dorthin und sich selbst in Sicherheit zu bringen, und er hoffte, daß sie diesen Wunsch erfüllt hatte.
    Die kurze Sommernacht ging schon zum Morgen über. Als der Wagen mit seinem fast geräuschlosen Motor bei Elks Holzhütte außerhalb der Stadt hielt, wachte kaum einer der Umwohner auf; aber Queenie hatte vor der Hütte gesessen und auf Joe gewartet. Sie hatte den Wagen kommen sehen. Die junge Frau war bleich unter der braunen Haut.
    Stonehorn legte den Arm um ihre Schultern.
    »Jetzt ist Sonntag«, sagte er. »Wir ruhen uns aus.«
    Die Schußwunden, die Stonehorn erhalten hatte, setzten ihm nicht allzuviel zu; er war mit einem Notverband zufrieden und wollte nichts von einem Arzt wissen. Er versprach aber, am Montag, wenn man wieder auf der Reservation war, zu Doc Eivie ins Hospital zu gehen.
    »Das Schwerste war die letzte Stunde, als ich hier saß und nicht wußte, was mit dir geschah«, gestand Queenie.
    Stonehorn hätte antworten können, es sei nicht zu Ende, solange Jenny noch lebte, aber er behielt das für sich, da er um Queenie besorgt war.
    Flüchtig erinnerte er sich auch an Harold. Vielleicht hatte es sein Gutes, daß der Bursche sich unsichtbar gemacht hatte und ihm entkommen war.
    Queenie ging zu dem Sonntagsgottesdienst, den Elk in der kleinen Holzkirche für die Armen der Slums hielt. Es waren vor allem Indianer, die mit ihren Familien kamen. Queenie hatte ein Gesangbuch in ihrer Stammessprache, lobte Wakantanka, den die weißen Männer Gott nannten, und bat um seine Hilfe. Die bescheidene kleine Kirche, die alten Melodien, die Sicherheit der Zeremonie , die Stille unter den Menschen taten ihr wohl, und sie hörte aufmerksam auf Elks Worte, der von den Kindern Israel erzählte, welche schweren Verfolgungen sie durchgemacht, welche Gefahren sie durchlebt hatten. Joe war mitgekommen, weil Queenie ihn darum gebeten hatte. Es war ihm daran gelegen, jede Stunde mit ihr zusammen zu sein. Als der Spendenteller umging, legte Queenie einen ganzen Dollar hinein.
    Mittags kam auch Russell zu Elk heraus, den er bis dahin nicht gekannt hatte. Aber da er ein praktischer Mann war und sich die Lebensverhältnisse anderer vorstellen konnte, brachte er zum Lunch China-Speisen mit, die nur warm gemacht zu werden brauchten, und schon hatte die Hausfrau die beste pikante Mahlzeit. Auch die beiden Kings aßen gern, allerdings nicht gerade viel. Queenie war noch immer wie benommen. Es war ihr schwer faßlich, wie der mörderische Spuk einer solchen Nacht kommen und dann plötzlich wieder verschwinden konnte.
    »Aber die Weißen denken«, sagte sie, »daß sie viel mehr Kultur besitzen, als wir Indianer je besessen haben. Was ist das eigentlich, Kultur? Ist es nicht auch die Weise, zu denken und dem anderen Menschen zu begegnen… und nicht nur Straßen und Eisschränke, Elektrogitarren… und die Maschinenpistolen?«
    »Das sind die Fragen, die die Indianer ständig an uns richten«, meinte Russell. »So unrecht haben sie gar nicht damit.«
    Als Queenie und die Kinder sich für eine Stunde zum Schlafen

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