Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
einzige, was in diesem Bild der Wirklichkeit entsprach, war Luke. Sein Aussehen war keine Einbildung gewesen, aber was noch wichtiger war: Ich hatte ihn so gezeichnet, wie es am ehesten meinem Verlangen entsprach – er war bei mir, für mich da und war dabei, mich nach Hause zu bringen.
    »Oh, wie sehr habe ich mich getäuscht, Luke!« rief ich.
    »Meine Bilder von Farthy waren reine Phantasiegebilde.«
    »Schäm dich nicht, daß du es dir schöner vorgestellt hast, Annie. Wenn wir es uns nicht erlauben zu träumen, kann die Welt furchtbar trübe sein. Vielleicht sind wir ja jetzt glücklicher mit dem, was wir haben und wer wir sind«, fügte er hinzu.
    »O Luke, das hoffe ich.«
    Das Durcheinander um uns herum vertrieb alle unsere trüben Gedanken. George brachte mein Gepäck, Mrs. Avery kümmerte sich um mein Bett. Alle um uns herum schwatzten, und ihre Aufgeregtheit wirkte ansteckend.
    »Ich werde mich jetzt selbst um Annie kümmern!« rief Tante Fanny.
    »Ja, Madam«, sagte Roland, und alle gingen hinaus. An der Art und Weise, wie sie reagierten, sah ich, daß Tante Fanny das Zepter hier tatsächlich übernommen hatte.
    »Ich werde später bei dir vorbeischauen, Annie. Soll ich dir irgend etwas mitbringen?« fragte Luke.
    »Im Augenblick brauche ich nichts, Luke. Nur dich.«
    »Das dürfte kein Problem sein. Aber sachlich betrachtet, könntest du es bald satt haben, mich zu sehen. Ich werde dir wie eine alte Tapete vorkommen.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.« Ich drückte seine Hand.
    Unsere Gesichter waren sich ganz nah, und ich dachte schon, er würde mich auf die Wange küssen. Aber bevor er sich dazu entschließen konnte, ergriff Tante Fanny das Wort.
    »Na, Luke, wenn du gehen willst, dann geh jetzt! Wir haben einiges zu tun.«
    »Entschuldigung. Bye, Annie.«
    »Ich werd Doktor Williams anrufen. Soll morgen so früh wie möglich kommen und dich untersuchen. Dann wird er uns ja wohl sagen können, was wir für dich tun müssen.«
    »Und sieh zu, ob du den Friseur für morgen herbestellen kannst, Tante Fanny. Ich möchte so schnell wie möglich meine Haare wieder so haben, wie sie vorher waren.«
    Tante Fanny nickte.
    »Aber sag mal, Annie, wieso in aller Welt hast du sie dir so hell machen lassen?«
    »Tony redete es mir ein. Er überzeugte mich davon, daß ich mich damit eher wieder als hübsche junge Frau fühlen würde.
    Er erzählte dauernd, Mammi habe es auch so gemacht, und er zeigte mir Bilder von ihr mit silberblondem Haar. Ich hatte solche Sehnsucht nach ihr und versuchte sie zurückzuholen, indem ich versuchte, wie sie auszusehen. Aber ich kannte die krankhaften Gründe Tonys nicht. Er wollte, daß ich wie meine Mutter und Großmutter aussehe. Du warst dort; du hast gehört, warum.«
    Tante Fannys Blick verfinsterte sich.
    »Ich hab Heaven gehaßt, weil sie mich nicht zu sich nach Farthy holte. Ich dachte, die hat dort ihren reichen alten Knacker und schwimmt im Geld! Na ja, jetzt weiß ich ja, was sie da alles durchgemacht hat. Muß für sie manchmal schwerer gewesen sein als in den Willies.
    Ich hab nie verstanden, wieso sie so drauf erpicht war, die Familie wieder zusammenzubringen«, fuhr Tante Fanny fort.
    »Hat wohl die Familie nötiger gebraucht als ich, trotz des ganzen Reichtums. Und dann natürlich diese ganzen Beklopften! Diese komische Großmutter, die gar nicht mehr kapierte, was um sie rum lief… Tony Tatterton… wer weiß, was da noch alles abgelaufen is. Und denen haben wir dich ausgeliefert…« Sie schüttelte den Kopf.
    »Du kannst doch nichts dafür, Tante Fanny. Wer hätte das wissen sollen? Ich bekam die besten Ärzte. Tony besorgte alles, was ich brauchte. Sogar eine Krankenschwester, die sich allerdings als ganz schrecklich herausstellte.«
    Ich erzählte ihr von einigen der Vorfälle. Tante Fanny hörte zu, schüttelte immer wieder den Kopf und preßte die Lippen aufeinander.
    »Ich wünschte, die wär jetzt hier. Der würde ich den Hals umdrehen.«
    »Tante Fanny, du scheinst nicht sehr überrascht gewesen zu sein, als Tony gestand, daß er Mammis richtiger Vater ist.
    Woher hast du es gewußt?«
    »Kurz bevor mein Bruder Tom im Zirkus von dem Tiger zerrissen wurde, hat er ‘nen Brief an mich geschrieben. War wohl ziemlich aus dem Häuschen, weil er gerade von Luke gehört hatte, daß Heaven gar nich seine Schwester war! Die beiden mochten sich ziemlich gerne, und er war wohl so geknickt, daß er’s jedem erzählen mußte.
    Wie dem auch sei, deine Großmutter

Weitere Kostenlose Bücher