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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Leigh war wohl schon von Tony schwanger, als sie meinen Vater heiratete. Leigh behauptete jedenfalls, daß Tony sie vergewaltigt hat… und nicht nur einmal. Deshalb hielt sie’s nich mehr aus und is davongelaufen. Dann hat sie hier mit Pa zusammengelebt und is bei der Geburt von Heaven gestorben. Heaven dachte immer, Luke hätte sie deshalb gehaßt, verstehst du? Ich glaube aber, das war nich alles, denn wenn Luke gewußt hat, daß Heaven nich von ihm war – «
    »Also ist Tony in Wirklichkeit mein Großvater!« folgerte ich.
    »Sieht ganz so aus, Annie«, meinte Tante Fanny und musterte mich besorgt. »Kopf hoch, Annie! Nur weil er plemplem is, heißt das noch lange nich, daß du das auch wirst, Annie.«
    »Nein, daran habe ich nicht gedacht, Tante Fanny. Ich dachte an Mammi. Wie schwer muß es sie getroffen haben, als sie das alles herausfand! Sie hat es nie jemandem verraten, nicht wahr? Und du genausowenig.«
    »Nein, ich hab es keinem erzählt, nur diesem komischen Anwalt bei der Anhörung. Es is nie rausgekommen, weil deine Mutter und ich uns geeinigt haben. Du weißt schon, die Sache mit Drake…« Sie senkte beschämt den Blick.
    »Was immer du früher auch getan hast, es ist vorbei, Tante Fanny. Du hast es jetzt mehr als wieder gutgemacht.«
    »Meinst du das ernst, Annie – Schatz?« Ich nickte ruhig.
    »Du bist wirklich lieb, Annie.« Ihr Blick wurde traurig.
    »Aber jetzt weißt du ja, daß ich gar nicht deine Tante bin.«
    »O nein, Tante Fanny. Für mich wirst du immer meine Tante bleiben. Was ändert es denn schon, ob wir blutsverwandt sind oder nicht?«
    »Ach, ich lieb dich genauso, als ob du mit mir verwandt wärst, Annie. Ich lieb dich sogar mehr, ich lieb dich wie eine Tochter. Und Luke und du, ihr seid ja immerhin Halbgeschwister.«
    »Ja«, sagte ich und blickte durch das Fenster auf das Dach des Pavillons unter uns. Ich mußte daran denken, was sich alles seit dem Unfall verändert hatte: Meine Mutter war gar keine Casteel gewesen, obwohl sie wie eine erzogen worden war. Sie war in jener ärmlichen Behausung aufgewachsen und hatte in dem Bewußtsein gelebt, Toby und Annie Casteel wären ihre Großeltern!
    Obwohl diese Enthüllungen sogar mich verunsicherten und belasteten, hatte ich doch nicht die Spur einer Vorstellung davon, wie schwer es meine Mutter getroffen haben mußte, als sie schließlich die Wahrheit erfuhr. Innerhalb eines Augenblicks hatte sie ihre ganze Familie verloren und sah sich plötzlich von Fremden adoptiert…
    Und auf einmal gehörte sie zu den Tattertons und mußte bei jenem Mann leben, der ihr richtiger Vater war und dessen Geist sich immer mehr verwirrte! So war es nicht verwunderlich, daß sie mit dem kleinen Drake auf dem Arm davongelaufen war. Drake! Er war in Wirklichkeit gar nicht mein Onkel, was er aber sicherlich nicht wußte. Und er würde es auch nicht erfahren, solange Tony es nicht in einem Wutanfall ausplauderte. Ich jedenfalls spürte keinerlei Verlangen, es ihm zu verraten. Der Schmerz, den mir diese Enthüllung verursachte, mußte in meinem Herzen verschlossen bleiben, dachte ich.
    Ich erkannte, daß ich außer meinen Eltern noch etwas anderes verloren hatte – die Geschichte der Familie, die nicht mehr die meine war! Das war einer der wichtigsten Punkte, die mich mit Luke verbunden hatten: die Gemeinsamkeiten unserer Herkunft, die Geschichten über das Leben in den Willies und unseren Urgroßvater Toby! Ich hatte jetzt überhaupt keine Familiengeschichte mehr, denn diese war ja untrennbar mit Tony Tatterton verbunden! Ich aber wollte alles vergessen, was er mir von seinem Vater und seinem Großvater erzählt hatte…
    Ja, ich war im Begriff, ein neues Leben zu beginnen und ein anderer Mensch zu werden! Wer würde ich sein? Wie würde sich meine Beziehung zu Luke verändern? Die Zukunft war unklarer und beängstigender als je zuvor. Ich war in ein neues Labyrinth gestoßen worden und wußte nicht, wieviel Zeit ich mit der Suche nach dem Ausgang verbringen würde. Jetzt brauchte ich einen Menschen wie Troy; jemanden, der meine Hand nehmen und mich führen würde. Tante Fanny war zwar so liebenswert wie nie zuvor, aber auch sie war von den Geschehnissen überwältigt. Ich konnte weder meinen Daddy um Hilfe bitten, noch konnte ich mich an meine Mammi wenden. Und Drake war zu sehr von Tony Tatterton und seiner Stellung in dessen Unternehmen abhängig, als daß ich ihm noch so hätte vertrauen können wie früher! Ich hatte mit ihm den Onkel verloren, der

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