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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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eilte zu meinem Bett; ihr Gesicht war verzerrt vor Ärger.
    »Jetzt reicht es«, rief sie. »Legen Sie den Hörer auf! Dieser Anruf ist zu anstrengend für Sie.«
    Sie ergriff den Hörer, noch ehe ich ihn selbst wieder in die Hand nehmen konnte.
    »Hier spricht Mrs. Broadfield«, sagte sie. »Ich fürchte, Sie müssen Ihre Unterhaltung abbrechen. Annie ist zu schwach für derartige Aufregungen.«
    »Bitte lassen Sie mich wieder ans Telefon, Mrs. Broadfield«, bat ich.
    »Wir müssen dieser Sache ein Ende setzen. Sie machen sich selbst krank.«
    »Ich werde ganz ruhig sein. Ich verspreche es.«
    Widerstrebend reichte sie mir das Telefon.
    »Es tut mir leid«, sagte Luke sofort, »ich sollte nicht…«
    »Es ist alles in Ordnung, Luke. Mir geht es gut. Ich werde jetzt stark sein. Ich weine nur, weil ich so glücklich bin, so glücklich für dich.«
    »Ich werde dich gleich nach der Abschlußfeier wieder anrufen und dir erzählen, wie es war.«
    »Vergiß es nicht.«
    »Eher würde ich das Atmen vergessen«, sagte er.
    »Viel Glück, Luke«, schluchzte ich, legte den Hörer auf und übergab Mrs. Broadfield das Telefon.
    Dann fiel ich erschöpft zurück in meine Kissen.
    »Sie begreifen Ihren Zustand nicht, Annie«, begann sie. »Sie haben nicht nur körperlichen Schaden genommen, sondern auch seelischen. Solche Sachen können Sie um Monate zurückwerfen.«
    Die Tränen und der Schmerz machten mein Herz so schwer, als hätte ich einen Stein in meiner Brust. Plötzlich bekam ich keine Luft mehr. Ich rang nach Atem und setzte mich auf. Ich spürte, wie alles Blut aus meinem Gesicht wich und wie meine Wangen eiskalt wurden. Das Zimmer begann sich zu drehen.
    Das letzte, was ich hörte, war der Schrei von Mrs. Broadfield.
    »Annie!«

Dann hüllte mich wieder die Dunkelheit ein.
    8. KAPITEL

    ÄRZTLICHE ANORDNUNGEN

    Ich hatte das Gefühl, ich würde in einen tiefen, dunklen Schacht fallen; doch während des Falls sah ich am Ende ein helles Licht, dem ich mich mehr und mehr näherte, und bald hörte ich Stimmen. Zuerst hörte es sich an, als würden viele Leute flüstern; und dieses Geflüster wurde immer lauter und erschien mir eher wie ein Brummen, als würden Hunderte von Fliegen an einem heißen, schwülen Sommertag vor einem Fenster summen. Dann machte ich in dem Summen einzelne Worte aus und erreichte das helle Licht am Ende des Schachts…
    Ich blinzelte.
    Und tatsächlich war ein heller Lichtstrahl auf mein Gesicht gerichtet.
    »Sie kommt wieder zu sich«, sagte irgend jemand, und das Licht wurde zur Seite gedreht.
    Ich sah in Dr. Malisoffs besorgte haselnußbraune Augen.
    »Ah, da sind Sie ja wieder. Wie geht es Ihnen, Annie?«
    Meine Lippen waren so trocken, daß ich das Gefühl hatte, meine Zungenspitze würde an ihnen festkleben. Ich schluckte.
    »Was ist geschehen?«
    Wieder blinzelte ich und wandte den Kopf zur Seite. Mein Blick fiel auf Mrs. Broadfield, die am Waschbecken stand und mit Dr. Carson, Malisoffs Assistenten sprach. Sie schüttelte den Kopf und gestikulierte beim Sprechen temperamentvoll mit den Händen. Anscheinend beschrieb sie, was geschehen war. Ich hatte sie noch nie so aufgeregt gesehen.
    »Nun, Annie, zum Teil ist es meine Schuld. Ich hätte Ihnen erklären sollen, wie geschwächt ihre Psyche ist. Wir haben uns offensichtlich nur um Ihre körperlichen Probleme gekümmert, doch Sie haben auch seelische Verletzungen davongetragen.
    Die Schäden in diesem Bereich gehen viel tiefer, als man auf den ersten Blick vermuten würde«, erklärte Dr. Malisoff.
    Er nahm den kalten Waschlappen von meiner Stirn und reichte ihn Mrs. Broadfield. Dann setzte er sich und nahm meine linke Hand in die seine.
    »Erinnern Sie sich, wie Sie mich gefragt haben, ob das alles wäre, was Ihnen fehlt, und wie ich damals gelacht habe?« Ich nickte. »Nun, ich hätte nicht lachen sollen. Ich hätte Ihnen lieber erklären sollen, daß Sie auch emotional und psychisch Schaden genommen haben. Dann hätten wir vielleicht das, was jetzt geschehen ist, verhindern können.«
    »Aber was ist denn geschehen? Alles, woran ich mich erinnern kann, ist, daß ich plötzlich diesen Druck auf meiner Brust spürte…«
    »Sie sind ohnmächtig geworden. Emotionale Überforderung.
    Sie haben einfach nicht gemerkt, wie schwach Sie wirklich sind, Annie. Denn Sie sind hier in einer Umgebung, in der Sie sich behütet und umsorgt fühlen können. Aber die Wahrheit ist, daß Sie nicht nur im physischen, sondern auch im emotionalen Bereich

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