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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hatten nicht die Art von eingehender Überprüfung, mit der Sie heutzutage leben.«
    »Offensichtlich«, sagte sie trocken und erinnerte sich daran, warum er dort gelandet war, wo er war. »Aber trotzdem. Sie haben es geschafft, zu verheimlichen, dass mitten in einer Polizeiaktion eine Zivilperson einen Schuss abgab? Für Geld ist alles zu haben, das stimmt also doch.«
    Lawson schüttelte ungeduldig den Kopf. »Es war nicht nur das Geld, das seine Wirkung tat, Karen. Der Polizeipräsident dachte auch an die PR . Grants einziges Kind war tot, sein Enkel verschwunden. In der Öffentlichkeit galt er als Opfer. Hätten wir ihn wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz belangt, hätte es ausgesehen, als wollten wir uns rächen: Wir können die wirklichen Schufte nicht fassen, also werden wir dich stattdessen festnehmen. Etwa so. Man kam überein, dass niemandem gedient sei, wenn bekannt wurde, dass Grant bewaffnet gewesen war.«
    »Ist es möglich, dass Cat durch Grants Schuss umkam?«, fragte Karen, die Unterarme auf dem Tisch und den Kopf vorgestreckt wie ein Rugby-Stürmer.
    Lawson rutschte auf seinem Stuhl hin und her und verlagerte das Gewicht auf eine Seite. »Sie wurde in den Rücken geschossen. Rechnen Sie es sich selbst aus.«
    Karen lehnte sich zurück; sie mochte die Antwort nicht, die sich ergab, wusste aber, dass von dem Mann ihr gegenüber nichts Besseres kommen würde. »Ihr wart ja eine regelrechte Bande von Cowboys seinerzeit, was?« Aber in ihrem Tonfall schwang keine Bewunderung mit.
    »Wir haben die Sache unter Dach und Fach gebracht«, entgegnete Lawson. »Die Öffentlichkeit bekam, was sie haben wollte.«
    »Die Öffentlichkeit wusste nicht mal die Hälfte.« Sie seufzte. »Wir haben also drei Schüsse, nicht die zwei, die im Bericht erwähnt werden?«
    Er nickte. »Allzu viel Unterschied macht es nicht.« Er rutschte wieder zur Seite und drehte sich leicht der Tür zu.
    »Gibt es noch etwas, über das ich Bescheid wissen sollte und das nicht in die Akte aufgenommen wurde?«, erkundigte sich Karen und nahm damit ihre Rolle als Gesprächsleiterin wieder auf.
    Lawson neigte den Kopf nach hinten und hob den Blick zur Ecke, wo sich Wände und Decke trafen. Er stieß geräuschvoll die Luft aus und schob die Lippen vor. »Ich glaube, das war’s«, sagte er endlich und zwang sich, ihrem müden Blick standzuhalten. »Wir meinten damals, es sei Fergus Sinclair gewesen. Und seitdem ist nichts geschehen, das meine Meinung geändert hätte.«

[home]
Campora, Toskana
    D ie Wärme der toskanischen Sonne löste die Verspannungen in Bels Schultern. Sie saß im Schatten eines Kastanienbaums, der hinter der Häusergruppe am Ende von Boscolata versteckt stand. Wenn sie den Hals reckte, konnte sie eine Ecke des mit Terrakotta-Ziegeln gedeckten Daches von Paolo Tottis verfallener Villa sehen. Was sie aber unmittelbar vor sich hatte, war attraktiver. Auf einem niedrigen Tisch standen vor ihr ein Krug mit Rotwein, eine Flasche Wasser und eine Schale Feigen. Um den Tisch herum saßen ihre wichtigsten Informationsquellen. Giulia, eine junge Frau mit einer wilden Mähne schwarzer Haare und einer Haut, die von den zornigen roten Narben alter Akne gezeichnet war. Sie stellte in einem umgebauten Schweinestall handbemaltes Spielzeug für den Touristenmarkt her. Daneben Renata, eine blonde Holländerin mit einer Gesichtshaut so gelb wie Gouda. Sie arbeitete Teilzeit in der Restaurierungsabteilung der Pinacoteca Nazionale im nahen Siena. Laut Grazia, die am Baumstamm lehnte und einen Sack Erbsen schälte, hatten die Carabinieri schon mit beiden Frauen gesprochen.
    Zunächst musste das übliche Schwätzchen gehalten werden, und Bel hielt sich zurück, während sie plauderten. Schließlich brachte Grazia sie auf ein anderes Thema. »Bel interessiert sich auch dafür, was in der Villa Totti los war«, sagte sie.
    Renata nickte bedeutungsschwer. »Ich habe immer schon gedacht, dass jemand kommen und danach fragen würde«, bemerkte sie in perfekt artikuliertem Italienisch, das wie eine Computerstimme klang.
    »Warum?«, fragte Bel.
    »Sie sind so plötzlich abgefahren. Einen Tag waren sie noch da und am nächsten einfach verschwunden«, erkläre Renata.
    »Sie sind abgehauen, ohne ein Wort zu sagen«, meinte Giulia schlechtgelaunt. »Ich konnte es kaum fassen. Dieter war angeblich mein Freund, aber er hat sich nicht einmal verabschiedet. Ich habe entdeckt, dass sie weg waren. An dem Morgen ging ich rüber, um mit Dieter Kaffee zu

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