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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hergestellt.«
    »Das leuchtet mir nicht ein.«
    »Wie so viele andere Dinge an diesem Fall«, murmelte Karen. Ohne es zu merken, war sie in die frühere Beziehung zu dem Mann geschlüpft, der ihr gegenübersaß. Sie war wieder die junge Beamtin, die ihn dazu anstachelte, in den Bruchstücken, die sie ihm zu Füßen legte, einen Sinn zu erkennen.
    Lawson reagierte unbewusst darauf und entspannte sich zum ersten Mal während des Gesprächs. »Welche anderen Dinge?«, wollte er wissen. »Als wir erst einmal auf Sinclair gekommen waren, passte ja alles zusammen.«
    »Ich verstehe nicht. Warum sollte Fergus Sinclair Cat bei der Übergabe umbringen?«
    »Weil sie ihn identifizieren konnte.«
    Der ungeduldige Ton seiner Stimme ärgerte Karen und erinnerte sie an ihre gegenwärtigen Rollen. »Das ist mir klar. Aber warum sie zu dem Zeitpunkt umbringen? Warum nicht vorher? Dass sie bei der Übergabe am Leben war, damit schuf er eine wirklich komplizierte Situation. Er musste Cat und das Baby unter Kontrolle halten, das Lösegeld an sich bringen, dann Cat erschießen und in der danach entstandenen Verwirrung mit dem Baby fliehen. Er konnte nicht einmal sicher sein, dass er sie getötet hatte. Vor allem nicht in der Dunkelheit, während alle umherliefen. Es hätte ihm das Leben viel einfacher gemacht, wenn er sie vor der Übergabe des Lösegeldes getötet hätte. Warum hat er sie nicht früher umgebracht?«
    »Um zu beweisen, dass das Opfer lebte«, antwortete Lawson mit der Zufriedenheit eines Mannes, der mit einem Ass auftrumpft. »Brodie forderte einen Beweis, dass sie lebte, bevor er handeln würde.«
    »Nein, das überzeugt nicht«, widersprach Karen. »Der Kidnapper hatte ja noch das Kind. Er hätte Adam als Lebensnachweis nehmen können. Sie wollen doch nicht behaupten, dass Brodie Grant sich geweigert hätte, Lösegeld zu zahlen, wenn er nicht den Beweis gehabt hätte, dass auch Cat lebte.«
    »Nein … Er hätte gezahlt, ob Cat nun lebte oder tot war.« Lawson runzelte die Stirn. »So habe ich das noch nicht gesehen. Sie haben recht. Es ergibt keinen Sinn.«
    »Natürlich, wenn es nicht Sinclair gewesen wäre, hätte sie vielleicht nicht sterben müssen.« Karens Blick wurde versonnen, als sie die Idee prüfte. »Es hätte ein Fremder sein können. Sie hätte ihn vielleicht nicht identifizieren können. Vielleicht war es ein Unfall?«
    Lawson neigte den Kopf zur Seite und sah sie forschend an. Karen hatte das Gefühl, dass ihre Eignung für die Aufgabe beurteilt wurde. Er trommelte kurz mit den Fingern auf den Rand des angeschlagenen Tisches. »Sinclair hätte der Entführer sein können, Karen, aber nicht unbedingt der Mörder. Denn, sehen Sie, es gibt noch etwas, was nicht im Bericht steht.«

[home]
Mittwoch, 23. Januar 1985,
Newton of Wemyss
    D ie Anspannung war entsetzlich. Die Masse des Lady’s Rock schien ein Stück aus dem Sternenhimmel herauszubeißen und blockierte die Sicht auf die Küste. Die Kälte nagte an Lawsons Nase und Ohren und drang durch die schmale Lücke zwischen den Lederhandschuhen und den Bündchen seines Pullovers. In der Luft lag der beißende Geruch von Kohlenrauch und Salz. Vom nahen Meer drang in der windstillen Nacht nur ein schwaches Grollen und Flüstern herüber. Der zunehmende Mond spendete gerade genug Licht, dass er in ein paar Metern Entfernung die gespannten Züge von Brodie Maclennan Grant unmittelbar neben den Bäumen, die Lawson selbst Deckung boten, erkennen konnte. In der einen Hand hielt er die Tasche mit dem Geld, den Diamanten und den Peilsendern, die andere umklammerte fest den Ellbogen seiner Frau. Lawson stellte sich den Schmerz vor, der von diesem Zangengriff ausging, und war froh, dass er nicht derjenige war, dem er zuteilwurde. Mary Maclennan Grants Gesicht war im Schatten, ihr Kopf gesenkt. Lawson vermutete, dass sie in ihrem Pelzmantel zitterte, allerdings nicht wegen der Kälte.
    Was er nicht sehen konnte, war das halbe Dutzend Männer, das er unter den Bäumen verteilt hatte.
    Das war auch besser so. Wenn er sie nicht sehen konnte, ging es den Entführern genauso. Er hatte sie sorgfältig ausgewählt und nur die genommen, die er für intelligent und tapfer hielt, zwei Eigenschaften, die seltener zusammen auftraten, als er zuzugeben bereit war. Zwei von ihnen hatten an einem Spezialtraining für Schusswaffen teilgenommen, einer hatte eine Pistole, der andere oben auf dem Lady’s Rock ein Sturmgewehr inklusive Nachtsichtgerät. Sie hatten Befehl, nicht zu

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