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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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schießen außer auf direkte Anweisung. Lawson hoffte sehr, dass er mit ihrer Einbeziehung etwas überreagiert hatte und ihr tatsächlicher Einsatz nicht nötig sein würde.
    Es war ihm gelungen, einige andere Schutzpolizisten von ihren Routinepflichten als Bewacher der Zechen und Kraftwerke abzuziehen. Ihre Kameraden hatten sich über ihre Abstellung geärgert, vor allem, weil Lawson ihnen den Grund für ihre vorübergehende Abordnung unter sein Kommando nicht erklären konnte. Diese zusätzlichen Männer standen am Waldrand an den Punkten im Unterholz, die dem Treffpunkt am nächsten waren und an denen man Fahrzeuge parken konnte. Sie sollten gemeinsam die Flucht verhindern, falls Lawson und seinem unmittelbaren Team die Festnahme bei der Übergabe misslang.
    Denn das war durchaus möglich. Es war eine alptraumhafte Situation. Er hatte Grant gedrängt, er solle diesen Plan ablehnen und auf einem anderen Übergabeort bestehen. Jede andere Variante war besser als ein verdammter Strand mitten in der Nacht. Aber die Worte hätte er sich sparen können. Grant betrachtete Lawson und seine Männer nur als eine Art private Sicherheitstruppe. Er tat, als erwiese er ihnen mit der Aufforderung, gegen den Willen des Entführers vor Ort zu sein, einen großen Gefallen. Trotz der Dinge, die er über das Team der Versicherung gegen Entführungen gesagt hatte, schien er nicht zu verstehen, was alles schiefgehen konnte. Es war wirklich nicht auszudenken.
    Lawson erhaschte einen Blick auf das beleuchtete Zifferblatt seiner Uhr. Noch drei Minuten. Es war so still, dass er erwartet hätte, den Motor eines Wagens aus der Ferne zu hören. Aber im Freien war die Akustik immer unberechenbar. Als er bei seinen vorbereitenden Erkundungen den Pfad abgegangen war, hatte er bemerkt, dass der hoch aufragende massige Lady’s Rock als Schalldämpfer wirkte und die Geräusche vom Meer so wirksam wie ein Ohrenschutz abhielt. Nur der liebe Gott wusste, wie der Wald das Geräusch eines nahenden Fahrzeugs verfälschen würde.
    Dann kam ohne Vorwarnung vom Felsen her ein helles weißes Licht, das ihn blendete. Lawson konnte nur einen Lichtkreis ausmachen, der seinen Blick hypnotisch in Bann schlug. Ohne einen bewussten Gedanken zu fassen, trat er zurück unter die Bäume, da er fürchtete, keine Deckung mehr zu haben.
    »Mein Gott«, schrie Brodie Grant, ließ seine Frau los und trat zwei Schritte vor.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind«, rief eine geisterhafte Stimme jenseits des Lichts. Lawson versuchte, den Akzent zuzuordnen, aber es war nichts Charakteristisches daran, außer dass er schottisch klang.
    Lawson konnte Grants Profil erkennen, das weiße Licht ließ seine Haut farblos und blass erscheinen. Seine Lippen waren zurückgezogen, als fletschte er die Zähne. In Lawsons Magen rumorte es. Wie zum Teufel hatten die Entführer es geschafft, zu dieser Stelle an der Flanke des Felsens zu kommen, ohne dass sie sie gesehen hatten? Das Mondlicht war doch so hell und der Weg in beiden Richtungen beschienen gewesen. Er hatte ein Fahrzeug erwartet. Schließlich hatten sie zwei Geiseln bei sich. Sie konnten mit ihnen doch wohl kaum eine Meile am Strand entlang von West Wemyss oder East Wemyss hermarschiert sein. Die steile Klippe hinter ihm schloss Newton of Wemyss aus.
    Der Entführer rief wieder. »Okay, dann los. Genau wie wir gesagt haben. Mrs.Grant, Sie gehen mit dem Geld auf uns zu.«
    »Nicht ohne ein Lebenszeichen«, brüllte Grant.
    Die Worte waren kaum ausgesprochen, als eine Gestalt vor das Licht hinaustaumelte, eine steife Marionette, die Lawson an die Poster der Geiselnehmer mit den Forderungen erinnerte. Als sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah er, dass es Cat war. »Ich bin’s, Daddy«, rief sie mit heiserer Stimme. »Mummy, bring mir das Geld.«
    »Was ist mit Adam?«, wollte Grant wissen und fasste seine Frau an der Schulter, als sie die Tasche nehmen wollte. Mary wäre fast gestolpert und gefallen, aber ihr Mann beachtete sie gar nicht. »Wo ist mein Enkel, ihr Scheißkerle?«
    »Es geht ihm gut. Sobald sie das Geld und die Diamanten haben, übergeben sie ihn«, rief Cat, und ihrer Stimme war die Verzweiflung anzumerken. »Bitte, Mummy, bring das Geld, wie es ausgemacht ist.«
    »Verdammt«, fluchte Grant. Er streckte seiner Frau die Tasche hin. »Geh, tu, was sie sagt.«
    Die Sache war außer Kontrolle, Lawson wusste es. Zum Teufel mit der Funkstille, die er angeordnet hatte. Er nahm sein Funkgerät und sprach,

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