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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Besseres als wir.«
    »Warum meinte er das?«, erkundigte sich Mark.
    Fraser zog ein Päckchen Benson & Hedges aus seinem Overall. Bevor er die Zigarette aus der Schachtel ziehen konnte, legte Otitoju ihre glatte über seine rauhe Hand. »Das ist jetzt verboten, Mr.Fraser. Dies hier ist ein Arbeitsplatz. Sie können hier drin nicht rauchen.«
    »Ach, Himmel, Arsch und Zwirn«, beklagte sich Fraser und wandte sich ab, während er seine Glimmstengel wieder in die Tasche schob.
    »Warum hielt Mick Prentice sich für etwas Besseres als Sie?«, fragte Mark noch einmal.
    Ferguson nahm die Herausforderung an. »Manche Männer streikten, weil die Gewerkschaft ihnen sagte, sie sollten es tun. Und manche streikten, weil sie überzeugt waren, dass sie recht hätten und wüssten, was das Beste für die anderen wäre. Mick Prentice war einer von denen, die meinten, es am besten zu wissen.«
    »Ja«, stimmte Fraser bitter zu. »Und er hatte seine Spezis in der Gewerkschaft, die für ihn sorgten.« Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, die übliche Geste für Geld.
    »Das verstehe ich nicht«, meinte Mark. »Es tut mir leid, ich bin zu jung, um mich an den Streik zu erinnern. Aber ich dachte, eines der großen Probleme wäre gewesen, dass ihr kein Streikgeld bekommen habt?«
    »Richtig, mein Sohn«, bestätigte Fraser. »Aber eine Zeitlang bekamen die Jungs, die als mobile Streikposten mitfuhren, Bargeld auf die Hand. Und wenn es für Streikposten was zu tun gab, wurden immer die gleichen genommen. Wenn dein Gesicht ihnen nicht passte, gab es nichts für dich. Aber Micks Gesicht passte besser als das der meisten anderen. Sein bester Kumpel war Funktionär bei der Bergarbeitergewerkschaft, verstehen Sie?«
    »Es war für manche von uns schwerer als für andere«, fügte Ferguson hinzu. »Ich vermute, Prentice’ Spezi hat ihm auch hier und da einen Fünfer oder eine Tüte Lebensmittel zugesteckt, wenn das Geld für den Dienst als mobiler Streikposten ausging. Die meisten von uns hatten nicht so viel Glück. Nein, Mick Prentice ist nicht mitgekommen. Und Billy hat recht. Wir hätten ihn nicht einmal mitgenommen, wenn er uns gefragt hätte.«
    Otitoju ging im Raum umher und begutachtete ihre Arbeit wie ein Bauinspektor. »An dem Tag, als Sie weggingen, haben Sie Mick Prentice da überhaupt gesehen?«
    Mark sah die beiden Männer einen Blick tauschen, was ihm verdächtig vorkam. Ferguson schüttelte schnell den Kopf. »Eigentlich nicht«, antwortete er.
    »Wie kann man jemanden ›eigentlich nicht‹ sehen?«, wollte Otitoju wissen und wandte sich ihnen wieder zu.

[home]
Freitag, 14. Dezember 1984
    J ohnny Ferguson stand in der Dunkelheit am Schlafzimmerfenster, von wo er die Hauptstraße des Dorfes überblicken konnte. Es war nicht kalt im Raum, aber er fröstelte leicht, und seine hohle Hand, in der er die selbstgedrehte Zigarette hielt, ließ den Rauch nicht auf direktem Weg aufsteigen. »Komm schon, Stuart«, murmelte er halblaut. Er nahm noch einen Zug von der Zigarette und blickte wieder auf die billige Uhr an seinem Handgelenk. Zehn Minuten Verspätung. Mit dem rechten Fuß fing er unwillkürlich an, auf den Boden zu klopfen.
    Nichts rührte sich. Es war noch nicht einmal neun, aber kaum ein Licht zu sehen. Die Leute konnten sich den Strom nicht leisten. Wegen ein bisschen Licht und Wärme gingen sie zum Wohlfahrtsverband runter oder zu Bett und hofften, so lange schlafen zu können, bis der ganze Alptraum vorbei war. Diesmal aber störte Ferguson die Ruhe in den Straßen nicht. Je weniger Leute vorbeikamen und bemerkten, was sich heute Abend hier tat, desto besser. Er wusste genau, was er zu tun im Begriff war, und es jagte ihm eine Heidenangst ein.
    Plötzlich bogen zwei Scheinwerfer auf der Hauptstraße um die Ecke. Ferguson konnte im matten Licht der Straßenlaternen die Umrisse eines Transit Kastenwagens erkennen. Die alte Form, nicht das neue Modell, mit dem die Polizei ihre Truppen bei ihren Einsätzen gegen die Bergleute herankarrte. Als der Wagen näher kam, sah er seine dunkle Farbe. Endlich war Stuart da.
    Ferguson drückte seine Zigarette aus. Er warf einen letzten Blick auf das Schlafzimmer, in dem er die letzten drei Jahre geschlafen hatte, seit er das winzig kleine Haus gemietet hatte. Es war zu finster, um viel sehen zu können, aber andererseits gab es sowieso nicht viel zu betrachten. Was man nicht verkaufen konnte, war zu Feuerholz zerkleinert worden. Jetzt lag auf dem Boden nur noch die Matratze mit

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