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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Lächeln. »Für wen halten Sie sich? Clarice Starling? Sie müssen ein paar Pfund abnehmen, bevor Sie es mit Jodie Foster aufnehmen könnten.«
    Karen rief sich ins Gedächtnis zurück, dass Lawson die gleichen Kurse über Verhörtechniken besucht hatte wie sie. Er wusste, wie man die Schwächen seines Gegenübers ausfindig machte. Aber andererseits kannte sie sich damit auch aus. »Für Hannibal Lecter würde es sich vielleicht lohnen, eine Diät zu machen«, entgegnete sie. »Aber nicht für einen Bullen, der sich blamiert und seine letzte Forelle aus Loch Leven gezogen hat.«
    Lawson hob die Augenbrauen. »Hat man Sie in einen Klugscheißerkurs geschickt, bevor Sie die Prüfung als Inspector abgelegt haben? Wenn Sie mir Honig ums Maul schmieren wollen, gehen Sie die Sache nicht richtig an.«
    Karen schüttelte resigniert den Kopf. »Ich habe weder die Zeit noch die Energie für so etwas. Ich bin nicht hier, um Ihrem Ego zu schmeicheln. Wir wissen beide, wie die Dinge laufen. Wenn Sie mir helfen, wird Ihr Leben in den vier Wänden hier für eine Weile etwas weniger schrecklich. Wenn Sie einfach weggehen, wer weiß, welche beschissene kleine Fiesheit dann Ihr Leben noch ein bisschen elender macht? Es ist Ihre Entscheidung, Jimmy.«
    »Für Sie bin ich Mr.Lawson.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das würde mehr Respekt voraussetzen, als Sie verdienen. Das wissen Sie doch.« Nachdem sie jetzt ihre Meinung gesagt hatte, würde sie ihn überhaupt nicht mehr anreden. Sie hörte, wie schwer er durch die Nase schnaufte, bei jedem Ausatmen ein schwaches Pfeifen.
    »Sie meinen, Sie könnten mein Leben noch elender machen?« Er starrte sie an. »Sie haben keine verdammte Ahnung. Ich sitze in Einzelhaft, weil ich Expolizist bin. Sie sind der erste Mensch, der mich dieses Jahr besucht hat. Ich bin zu alt und zu hässlich, als dass sich irgendjemand sonst für mich interessieren könnte. Ich rauche nicht und brauche keine weiteren Telefonkarten.« Er stieß ein kurzes schwaches Lachen aus, wie ein Schnauben, bei dem der Schleim in seiner Kehle gurgelte. »Wie viel schlimmer, meinen Sie, können Sie es machen?«
    Sie erwiderte ungerührt seinen starren Blick. Sie wusste, was er getan hatte, und in ihrem Herzen war kein Platz für Mitleid oder Mitgefühl mit ihm. Es war ihr egal, wenn sie in sein Essen spuckten. Oder Schlimmeres. Er hatte sie und alle anderen, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, verraten. Die meisten Polizisten, die Karen kannte, übten ihren Beruf aus anständigen Motiven aus. Sie brachten Opfer für ihre Arbeit, es war ihnen wichtig, dass sie richtig gemacht wurde. Als sie entdeckten, dass ein Mann, dessen Befehle sie ohne Zögern befolgt hatten, ein dreifacher Mörder war, hatte das die Moral der Kripo zerstört. Die Brüche waren immer noch nicht ganz verheilt. Manche Leute machten Karen immer noch Vorwürfe und argumentierten, es wäre besser gewesen, schlafende Hunde nicht zu wecken. Sie wusste nicht, wie sie es anstellten, nachts ruhig schlafen zu können.
    »Man hat mir erzählt, dass Sie oft die Bücherei nutzen«, sagte sie. Seine Augen zuckten. Sie wusste, dass sie ihn damit gepackt hatte. »Es ist wichtig, im Kopf aktiv zu bleiben, oder? Sonst dreht man wirklich völlig durch. Ich habe gehört, dass man in der Bücherei heutzutage Bücher und Musik auf einen kleinen MP 3-Player herunterladen und sich das anhören kann, wann immer man Lust dazu hat.«
    Er sah weg, faltete die Hände und löste die Finger wieder. »Arbeiten Sie immer noch an ungelösten Fällen?« Das Zugeständnis, das er mit diesen Worten machte, schien ihm Energie zu rauben, die er nur schwer erübrigen konnte.
    »Es ist jetzt meine Abteilung. Robin Maclennan ist in den Ruhestand getreten.« Karen sprach mit neutraler Stimme, und ihr Gesicht war ungerührt.
    Lawson sah über ihre Schulter auf die kahle Wand hinter ihr. »Ich war ein guter Polizist. Ich habe nicht viel ungetane Arbeit für euch Aasgeier übriggelassen«, stellte er klar.
    Karen warf ihm einen bemessenen Blick zu. Er hatte drei Menschen umgebracht, hatte versucht, einem labilen Mann zwei Morde in die Schuhe zu schieben, und hielt sich immer noch für einen guten Polizisten. Wie Kriminelle sich selbst zu täuschen vermochten, erstaunte sie immer wieder. Sie fragte sich, wie er, ohne eine Miene zu verziehen, dasitzen konnte, nachdem er das Gesetz gebrochen, Lügen fabriziert und Leben ausgelöscht hatte. »Sie haben viele Fälle gelöst«, war noch das Beste, was sie

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