Nacht unter Tag
gereizt, als hätte er persönlich Sinclairs Sachen gepackt.
»Er könnte also überall sein?«
»Vermutlich, ja.«
»Einschließlich hier? In Fife?«
»Es gibt keine Hinweise darauf.« Rennies Mund schien seitwärts zu verrutschen, als hätte sein Kiefer gerade gemerkt, dass er sich auf dünnem Eis bewegte.
»Haben Sie die Fluggesellschaften überprüft? Flughäfen? Kanalhäfen? Haben Sie sie angewiesen, ihre Passagierlisten durchzugehen?«
Rennie sah zur Seite. »Ich werde mich gleich darum kümmern.«
Lawson fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken. »Und rufen Sie die Passbehörde an. Ich will wissen, ob Fergus Sinclair jemals einen Pass für seinen Sohn beantragt hat.«
[home]
Montag, 2. Juli 2007,
Peterhead
I ch war immer überzeugt, dass Sinclair irgendwie etwas damit zu tun hatte. Nicht viele Leute kannten Catrionas Gewohnheiten so gut, dass sie die Entführung hätten durchführen können«, sagte Lawson und klang jetzt leicht defensiv.
Karen war verwirrt. »Aber was war mit dem Baby? Wenn er all das getan hätte, um seinen Sohn in seine Gewalt zu bekommen, wo ist dann Adam jetzt?«
Lawson zuckte mit den Achseln. »Das ist die Millionen-Dollar-Frage, oder? Vielleicht hat Adam die Schießerei nicht überlebt. Vielleicht hatte Sinclair irgendeine Frau organisiert, die sich für ihn um das Kind kümmern sollte. Ich an Ihrer Stelle würde mir mal sein jetziges Leben anschauen. Mal nachschauen, ob es da einen Jungen im richtigen Alter gibt.« Er lehnte sich zurück und faltete die Hände im Schoß. »Sie haben also nichts Weiterführendes gefunden? Es ist nur ein zielloses Herumschnüffeln?«
Sie nahm das aufgerollte Poster, das sie gegen den Stuhl gelehnt hatte, zog das Gummiband ab und breitete es vor Lawson aus. Er streckte die Hand danach aus, hielt dann aber inne und sah sie fragend an. »Nur zu«, meinte sie. »Es ist eine Kopie.«
Lawson glättete das Papier vorsichtig. Er studierte die kräftigen schwarzweißen Figuren, fuhr mit einem Finger über den Puppenspieler und seine Marionetten, das Skelett, den Tod und die Ziege. »Das ist das Poster, mit dem die Entführer mit Brodie Maclennan Grant kommunizierten.« Er zeigte auf die leere Fläche unten. »Dort, wo man die Angaben zur Aufführung aufkleben würde, da schrieben sie die Botschaften hin.« Er sah sie resigniert an. »Aber das wissen Sie ja schon alles. Wo kommt das her?«
»Es ist in einer verlassenen Villa in der Toskana aufgetaucht. Das Haus verfällt langsam, steht schon seit Jahren leer. Nach dem, was die Nachbarn sagen, haben sich dort hin und wieder Hausbesetzer eingenistet. Die letzte Gruppe ist ohne Vorwarnung über Nacht verschwunden, ohne sich irgendwie zu verabschieden. Sie haben viele Gegenstände dagelassen. Darunter ein halbes Dutzend dieser Poster.«
Lawson schüttelte den Kopf. »Das hat nicht viel zu bedeuten. Bei uns sind im Lauf der Jahre ein paar solcher Zeichnungen aufgetaucht. Weil Sinclair es so hingetrickst hat, dass es aussah, als hätte eine anarchistische Gruppe es auf Brodie Maclennan Grant abgesehen, warben hier und da irgendwelche Kerle mit dem Poster für eine direkte Aktion, ein Festival oder was auch immer. Wir haben sie jedes Mal überprüft, und es gab keine Verbindung zu dem, was mit Catriona geschehen ist.« Mit einer Hand winkte er geringschätzig ab.
Karen lächelte. »Meinen Sie, das wüsste ich nicht? Zumindest das hat es schon in die Akten geschafft. Aber dies hier ist etwas anderes. Keine der früheren Kopien war exakt. Es gab Unterschiede in den Einzelheiten, so wie es sein würde, wenn man das Poster anhand von alten Zeitungsausschnitten kopiert hätte. Aber das hier ist anders. Es stimmt genau überein. Die Forensik sagt, es ist identisch und mit der gleichen Schablone gemacht.«
Lawsons Augen begannen zu leuchten, der Funke seines Interesses war plötzlich sichtbar. »Sie wollen mich wohl veräppeln?«
»Dort hatten sie die ganze Woche Zeit, sich zu entscheiden, und verkündeten, es bestehe kein Zweifel. Aber warum hätte man den Rahmen jahrelang aufbewahren sollen? Es ist das eine Beweisstück, das die Geiselnehmer mit dem Verbrechen verbindet.«
Lawson grinste. »Vielleicht haben sie nicht den Rahmen behalten, sondern nur die Poster aufgehoben.«
Karen schüttelte den Kopf. »Nach dem, was der Dokumentenspezialist sagt, war es nicht so. Weder das Papier noch die Tinte gab es schon im Jahr 1985. Dies hier wurde in jüngerer Zeit mit dem Originalrahmen
Weitere Kostenlose Bücher