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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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weiß, in einem ernsthaften Buch sollte man so was nicht tun, aber ich habe nun einmal einen ziemlich schrägen Humor. Zumindest sagt man mir das immer wieder.
    Dieser Humor und mein Lächeln sind die Eigenschaften, die andere am meisten an mir schätzen. Außerdem sagt man mir nach, ich sei »nett« und »hilfsbereit«. Aber was wissen die schon?
    Obwohl mit meinem Gesicht kein Schönheitswettbewerb zu gewinnen ist, ist mein Körper nicht zu verachten. Für eine Frau bin ich ziemlich groß (eins achtundsiebzig), und obwohl ich früher ziemlich pummelig war, habe ich mich in meinem ersten Jahr auf dem College gewaltig zusammengerissen und mir eine tolle Figur antrainiert. Seitdem halte ich mich fit. Im Badeanzug sehe ich verdammt gut aus, und ohne Badeanzug noch viel besser.
    Meistens aber halte ich meine Schätze verborgen. Ich mag es nicht, wenn die Männer wissen, was ich zu bieten habe.
    Als ich noch mollig war, wollte mich keiner von ihnen ansehen, geschweige denn mit mir gesehen werden, aber seit ich mich in Form gebracht habe, kann ich mich ihrer kaum noch erwehren. So gut wie alle von ihnen waren Volltrottel, die mich nicht richtig kennenlernen und auch keinen Spaß mit mir haben wollten. Alles, was sie interessierte, war mein »Körperbau«.
    Manche von diesen Schürzenjägern fanden, ich hätte »ziemlich viel Holz vor der Hütte«.
    Ich finde das nicht allzu charmant, aber ich kann mir gut vorstellen, was sie damit meinen.
    Im Grunde genommen sind die meisten Männer Nichtsnutze, und ich hatte mit meinen sechsundzwanzig Jahren die Hoffnung, noch einen halbwegs passablen zu finden, so ziemlich aufgegeben.

    Aber dann kam die Nacht, in der dieser Fremde hier auftauchte.
    Es war eine heiße Julinacht. Serena und Charlie waren mit den Kindern in die Ferien gefahren und wollten erst in einer Woche zurückkommen. Bis dahin hatte ich das ganze Haus für mich allein.
    Die beiden bestanden geradezu darauf, dass ich während ihrer Abwesenheit im großen Haus wohnte. Sie waren der Meinung, dass dann nicht eingebrochen würde. Vielleicht glaubten sie das tatsächlich, aber ich vermute eher, dass sie mir damit einen Gefallen tun wollten. Sie waren davon überzeugt, dass ich viel lieber in ihrem Haus war als in meiner kleinen Wohnung über der Garage.
    Irgendwie hatten sie sogar recht damit. Im großen Haus gab es eine schöne Küche, ein großes Badezimmer mit einer in den Boden eingelassenen Wanne, die ein echter Traum war, und ein Wohnzimmer mit einem riesigen Fernseher. Wenn ich auf Serenas und Charlies Haus aufpasste, kochte ich mir immer wahre Festmähler, lag stundenlang in der Badewanne und sah fern, bis mir die Augen wehtaten.
    Im Schlafzimmer gab es ein Doppelbett, dessen Matratze ungefähr dreimal so groß war wie meine, und an den Wänden sowie an den Türen der Einbauschränke hingen große Spiegel. Ein weiterer Spiegel hing über dem Bett an der Decke. Serena erzählte mir, das sei Charlies Idee gewesen. Kann sein, aber Serena gefielen die Spiegel bestimmt auch, denn sonst wären sie nie in ihr Schlafzimmer gekommen. Es war allerdings kein Wunder, dass die beiden ihren Partner – und sich selbst – gerne im Spiegel betrachteten, immerhin sahen sie beide einfach blendend aus.
    Als ich das erste Mal allein in Serenas und Charlies Haus war, legte ich mich in ihr Bett und fand, dass ich in all den Spiegeln zwar nicht schlecht, aber irgendwie auch ziemlich allein aussah, während ich mich auf dieser gigantischen Spielwiese von einem Bett räkelte.
    Unwillkürlich musste ich dabei an Serena und Charlie denken und daran, wie sie sich vielleicht genau an der Stelle, an der ich jetzt lag, schon hundertmal geliebt hatten. Um es kurz zu machen, meine Fantasie ging so dermaßen mit mir durch, dass ich nichts dagegen tun konnte. Die ganze Nacht lang wälzte ich mich auf dieser Matratze herum und glitt von einem heißen Traum in den nächsten.
    Meine erotischen Fantasien – oder waren es Halluzinationen? –waren so anschaulich, dass sie fast Wirklichkeit hätten sein können.
    Als ich am nächsten Morgen schweißgebadet und erschöpft aufwachte, schämte ich mich so sehr, dass ich mir schwor, nie wieder eine Nacht im Bett der beiden zu verbringen. Von da an ging ich jeden Abend zurück in mein Zimmer über der Garage und schlief in meinem eigenen Bett, was auch aus anderen Gründen besser für mich war.
    So sehr ich auch Küche, Bad und Fernseher schätzte, irgendwie machte das große Haus mir in der Nacht

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