Nacht
Angst.
Es war viel zu groß, hatte viel zu viele Zimmer und viel zu viele Türen und Fenster, durch die jemand hereinsehen und vielleicht sogar einbrechen konnte.
In meinem kleinen, gemütlichen Reich über der Garage war das anders. Ich hatte nur ein einziges Zimmer mit Kochnische und einer Nasszelle, in der es zwar eine Dusche, aber keine Badewanne gab.
Wenn die Tür zur Nasszelle offen war und ich in der Mitte des Raumes stand, hatte ich sämtliche Fenster und Türen im Blick und hätte es außerdem sofort gehört, wenn sich jemand daran zu schaffen gemacht hätte.
Jedes Mal, wenn ich nachts zurück in meine Wohnung kam, überzeugte ich mich davon, dass in meiner Abwesenheit auch wirklich niemand dort eingedrungen war. Eigentlich fühlte ich mich in meine Wohnung immer so sicher wie in Abrahams Schoß.
Das einzige Problem war, dass ich erst einmal in meine Wohnung kommen musste.
In jener heißen Julinacht, in der der Fremde kam, war ich bis nach Mitternacht unten im Haus gewesen. Normalerweise wäre ich schon früher in meine Wohnung gegangen, aber es war der erste Tag von Serenas und Charlies Urlaub, und ich hatte seit ihrer Reise nach San Francisco das Haus nicht mehr für mich allein gehabt. Vor lauter Freude vergaß ich, zu gehen und blieb zu lange dort.
Viel zu lange.
Serena und Charlie haben im Garten ihres Hauses einen wunderschönen Swimmingpool. Weil er direkt am Waldrand liegt und weit und breit kein anderes Haus zu sehen ist, kommt man sich darin vor, als würde man in einem mitten im Wald gelegenen Weiher schwimmen. Trotzdem mied ich den Pool normalerweise wie der Teufel das Weihwasser.
Außer, wenn ich alleine das Haus hütete und niemand da war, der mich sehen konnte.
An dem Tag, an dem diese Geschichte anfing, waren Serena und Charlie erst am frühen Nachmittag losgefahren. In der Einfahrt hatte ich sie alle zum Abschied noch einmal geküsst und ihnen einen schönen Urlaub gewünscht, und dann hatte ich noch eine Weile gewinkt, bis ihr Wagen auf der Straße verschwunden war.
Kaum waren sie fort, rannte ich hinauf in meine Wohnung, zog mich aus und schlüpfte, um meine Freiheit gebührend zu feiern, in meinen nagelneuen Bikini. Dann schnappte ich mir die kleine Tasche, in die ich schon am Vormittag alles gepackt hatte, was ich unten im Haus benötigen würde, und eilte die Treppe wieder hinunter.
Als Erstes mixte ich mir in der Küche eine Bloody Mary, die ich mit hinaus an den Pool nahm.
Dort verbrachte ich dann den ganzen Nachmittag dick mit Sonnenöl eingeschmiert auf einem Liegestuhl und genehmigte mir alle möglichen Drinks, während ich einen Krimi las, vor mich hin sinnierte oder ein Nickerchen hielt. Ab und zu, wenn es mir zu heiß wurde, sprang ich in den Pool und schwamm ein paar Bahnen.
Es war ein herrlicher Nachmittag.
Ich trank zu viel, döste zu viel und bekam zu viel Sonne ab. Aber ich genoss es sehr.
Später briet ich mir ein Steak auf dem Grill, der draußen auf der Terrasse stand, und aß es am Pool. Danach hatte ich genug von der frischen Luft und ging ins Haus, wo ich ausgiebig duschte und mir das Sonnenöl von der Haut wusch. Ich stellte fest, dass ich ganz schön Farbe gekriegt hatte.
Eigentlich mochte ich es, braun zu sein, aber in den Spiegeln im Schlafzimmer sah es doch ein wenig albern aus, weil eben nicht alle Stellen an meinem Körper gebräunt waren. Mir kam es so vor, als trüge ich einen Bikini aus der bleichen Haut einer anderen Frau, die noch nie in ihrem Leben an der Sonne gewesen war.
Nachdem ich mich mit Serenas teurer Feuchtigkeitsmilch eingecremt hatte, zog ich mir Charlies blauen Seidenkimono an und ging ins Wohnzimmer, um fernzusehen. Auf dem riesigen Flachbildschirm sah alles sehr viel besser aus als auf meinem kleinen Fernseher.
Weil ihr Haus zu weit draußen für einen Kabelanschluss lag, hatten sich die beiden eine Satellitenschüssel angeschafft, an der auch die kleine Glotze in meinem Zimmer hing. Ich wusste also, wie man das System bedienen musste.
Man konnte damit so um die hunderttausend verschiedene Programme empfangen.
Ich fand einen Film, der um acht Uhr anfing, und während ich ihn mir ansah, wurde es draußen dunkel, und ich musste vom Sofa aufstehen und die Vorhänge zuziehen. Ich mag es nicht, wenn nachts die Vorhänge offen stehen. Den Gedanken, dass einen von draußen vielleicht jemand anglotzt, während man selbst ihn nicht sehen kann, finde ich ziemlich beunruhigend. Um ehrlich zu sein, jagt mir die Vorstellung einen
Weitere Kostenlose Bücher