Nacht
hatten.
Murphy
Sicher ist sicher, dachte ich und stellte Judys Wagen zwei Straßenecken weiter weg auf einen Parkplatz, bevor ich zurück zur Adams Street Nummer 8448 ging.
Das Haus war ein altes, einstöckiges Gebäude mit acht kleinen, von außen zugänglichen Wohnungen und einem schmalen, nicht sonderlich gepflegten Rasenstück davor. Da ich die Nummer von Tonys Wohnung nicht kannte, sah ich mir das Haus erst einmal im Vorbeigehen an.
Jede Wohnungstür hatte einen eigenen Briefkasten, was für mich ungünstig war. In diesem Fall muss man nämlich keinen Namen am Briefkasten haben, wie das die Post bei einer separaten Reihe von Briefkästen zwingend vorschreibt. Und wenn kein Namen vorgeschrieben ist, bringt auch niemand einen an.
Vor drei Wohnungstüren lag eine Zeitung.
Eine davon war vermutlich die von Tony.
Aber welche?
Hatte der Zeitungsausträger der Tribüne das reklamierte Exemplar bereits gebracht? Wenn nicht, musste ich eigentlich nur die Zeitungen wegnehmen, mich irgendwo auf die Lauer legen und schauen, vor welche Tür er die Tribüne legte.
Aus zwei Gründen kam mir das nicht sonderlich ratsam vor.
Erstens wollte ich nicht dabei erwischt werden, wie ich die Zeitungen wegnahm, und zweitens könnte der Zeitungsjunge bereits da gewesen und unverrichteter Dinge wieder gegangen sein (ich glaubte nicht, dass er ein zweites Exemplar vor die Tür gelegt hätte), und dann konnte ich warten, bis ich schwarz war.
Dazu hatte ich keine Zeit. Ich musste diese Sache so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Ich überlegte gerade, ob es hinter dem Haus wohl Garagen oder Abstellplätze gab, wo ich vielleicht einen Hinweis auf Tonys Wohnungsnummer finden könnte, als ich auf einmal eine Sirene hörte.
Das Geräusch ließ mich erstarren.
Meine Gedanken überschlugen sich. Die Polizei hatte Tonys Leiche gefunden und wusste, dass ich ihn getötet hatte. Und sie wusste auch, wo sie mich finden würde. Jetzt kam sie, um mich festzunehmen. Gleich würden mehrere Streifenwagen um die Ecke biegen und mit quietschenden Reifen direkt vor mir zum Stehen kommen. Und dann würde sich ein Dutzend Polizisten mit gezogenen Waffen auf mich stürzen.
Die Sirene wurde lauter.
Am liebsten wäre ich davongerannt.
Überleg doch mal! Die können doch nicht wissen, dass du es warst!
Spiel die Unschuldige, sagte ich mir. Streite alles ab. Und bleib ruhig.
Was können sie dir schon beweisen?
Als die Sirene direkt hinter mir war, drehte ich den Kopf und sah einen Krankenwagen mit blinkendem Blaulicht vorbeirasen.
Ich lachte über mich selbst, weil ich mich so ins Bockshorn hatte jagen lassen und spürte, wie mir mein Herz vor Aufregung immer noch bis in den Hals schlug.
Als der Krankenwagen hinter der nächsten Ecke verschwunden war, stand ich immer noch da und rang nach Atem.
Akuter Schlafmangel. Das war mein Problem.
Vielleicht hätte ich doch die zweite Bloody Mary trinken sollen.
Ich muss hier weg!
Aber das konnte ich nicht. Ich hatte mir so viel Mühe gegeben, seine Adresse herauszufinden, da konnte ich nicht aufgeben, ohne zumindest probiert zu haben, in seine Wohnung zu kommen und das Problem mit der Wahlwiederholungstaste ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.
Probieren musst du’s!
Ohne einen Plan zu haben, ging ich wieder zurück zu dem Haus.
Sollte ich vielleicht von Tür zu Tür gehen und sagen, dass mein Auto eine Panne hätte und ich dringend telefonieren müsste?
Ich dachte noch darüber nach, als mir an einer der Türen ein Schild auffiel:
HAUSMEISTER
Ein Hausmeister! Das war’s, was ich brauchte.
Ein Hausmeister musste wissen, in welcher Wohnung Tony wohnte. Und vielleicht hatte er auch einen Nachschlüssel dafür.
Ich trat an die Tür und drückte auf die Klingel.
Mit dem Knöchel des rechten Zeigefingers.
Knöchel hinterlassen keine Fingerabdrücke.
Als sich auf mein erstes Klingeln nichts rührte, klingelte ich ein zweites Mal. Diesmal hörte ich eine Männerstimme rufen: »Immer mit der Ruhe! Ich komme ja schon.«
Ein paar Sekunden später ging die Tür auf.
»Was gibt’s?«, fragte ein barfüßiger, ziemlich verschlafen aussehender Mann mit wild verstrubbelten, braunen Haaren.
»Guten Morgen«, antwortete ich.
Der Mann mochte so an die dreißig Jahre alt sein und trug eine Brille und ein Reklame‐T‐Shirt von Bear‐Whizz‐Bier, auf dem ein Grizzlybär in einen Gebirgsbach pinkelte. Darunter hatte er eine Badehose an, was ich ziemlich merkwürdig fand, denn die
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