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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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irgendwo verschwinden musste, lieber bequeme Turnschuhe angezogen.
    Murphy, der noch immer nicht den Blick von mir wenden konnte, schüttelte den Kopf und lächelte.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Tony muss entweder verrückt oder tot sein, wenn er eine Verabredung mit einer Frau wie Ihnen sausen lässt.«
    Vermutlich wurde ich rot. Auf jeden Fall hatte ich plötzlich ein ganz heißes Gesicht.
    »Tony hat ein Problem«, sagte ich und setzte eine sorgenvolle Miene auf. »Er ist Diabetiker. Hat er Ihnen das erzählt?«
    Murphys Lächeln verschwand. »Oh Mann!«, sagte er. »Nein, das hat er mir nicht gesagt. Diabetiker können in Unterzucker geraten und einfach umfallen, nicht wahr? Ich finde, wir sollten mal nach ihm sehen. Warten Sie, ich hole nur rasch den Schlüssel.«
    Ein paar Sekunden später war er wieder an der Tür und ging mit mir quer über den Rasen zu Tonys Wohnungstür. Auf dem Weg sah ich mich um, ob uns jemand aus den anderen Wohnungen dabei beobachtete, konnte aber niemanden entdecken.
    Nachdem Murphy ein paarmal fest an die Tür geklopft hatte, steckte er den Nachschlüssel ins Schloss und drehte ihn um.
    Während er die Tür nach innen öffnete, rief er: »Tony? Tony? Sind Sie da?«
    Wir lauschten beide, hörten aber keine Antwort.
    »Hallo, Tony, hier ist Murphy, der Hausmeister. Sind Sie wach?«
    Als immer noch keine Antwort kam, machte Murphy einen Schritt in die Wohnung. Ich bückte mich, hob die Zeitung auf und folgte ihm in ein kleines, ordentlich aufgeräumtes Wohnzimmer.
    Ich sah sofort Tonys Telefon auf einem Tisch neben der Couch.
    »Vielleicht ist es besser, wenn ich hier warte«, flüsterte ich. »Für den Fall, dass er irgendwie indisponiert ist oder so was …«
    »Kein Problem«, sagte Murphy und trat in den Flur, der offenbar zum Schlafzimmer führte. Kaum war er verschwunden, rannte ich hinüber zu dem Telefon und hob den Hörer ab. Sobald ich das Freizeichen hörte, tippte ich rasch eine Nummer in den Ziffernblock.
    Erst eine dreistellige Vorwahl, dann vier zufällig gewählte Zahlen.
    Nach ein paar kurzen Knackgeräuschen hörte ich, wie es am anderen Ende der Leitung klingelte.
    GESCHAFFT!
    In diesem Augenblick kam Murphy wieder ins Wohnzimmer und schüttelte den Kopf.
    Ich lächelte ihn an und sagte in den Hörer: »Barb? Ich bin’s, Fran.«
    Murphy öffnete eine Tür an der gegenüberliegenden Wand, die vermutlich in die Küche führte.
    »Ich habe mir gerade vom Hausmeister seine Wohnung aufsperren lassen, aber er scheint nicht da zu sein.« Während im Hörer immer noch das Klingelzeichen ertönte, rief ich in Richtung Tür: »Ist er da, Murphy?«
    »Nein.«
    »Wenigstens liegt er nicht hier in der Wohnung«, sagte ich ins Telefon. »Ich hatte schon Angst, dass er wieder in den Unterzucker gefallen ist.«

    Murphy kam zurück und schüttelte abermals den Kopf.
    »Er ist nicht in der Wohnung«, sagte er.
    Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln und sagte in den Hörer:
    »Hier ist er definitiv nicht … nein … nach seinem Wagen habe ich noch gar nicht geschaut.«
    »Ich sehe mal nach«, bot Murphy an und ging nach draußen.
    Ich legte auf.
    Dann öffnete ich die Klappe des Anrufbeantworters, der neben dem Telefon stand, nahm die Tonbandkassette heraus und steckte sie mir vorne in mein Höschen. Nachdem ich den Anrufbeantworter mit meinem Rockzipfel abgewischt hatte, hob ich noch mal das Telefon ab und wählte eine weitere Zufallsnummer.
    Diesmal wurde gleich nach dem ersten Klingeln abgehoben.
    »Hallo?«, sagte eine Männerstimme.
    Ich sagte nichts.
    »Hallo? Wer ist da bitte?«
    »Mein Name ist Margaret«, flötete ich. »Von der Westside Marketingagentur …«
    »Kein Interesse«, sagte der Mann und legte auf.
    Weil ich immer noch allein in der Wohnung war, wählte ich noch eine dritte Nummer, als mir auf dem Beistelltischchen ein Terminkalender auffiel. Es war einer von denen, die eine extra Seite für jeden Tag des Jahres haben, und er war beim gestrigen Datum aufgeschlagen.
    Aus dem Hörer tutete das Besetztzeichen.
    Mit der Kante eines Fingernagels blätterte ich den Kalender einen Tag weiter. Als ich kurz darauf von draußen rasche Schritte hörte, sagte ich ins Telefon. »Vielleicht. Hoffen wir das Beste.«
    Als Murphy hereinkam, lächelte ich ihn an.
    »Sein Auto ist nirgends zu sehen«, flüsterte er.
    »Danke, Murphy«, flüsterte ich zurück, bevor ich ins Telefon sagte: »Sein Wagen ist auch nicht da … keine Ahnung … Hoffentlich liegt er nicht irgendwo im

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