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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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Goldstein. Die Gattin dieses überaus erfolgreichen Polizisten. Er hat übrigens nie Zeit für einen, nur damit Sie das wissen, Liebes.« Sie lachte.
    »Für mich hat er Zeit«, antwortete ich. »Zeit genug für alles, was uns gefällt. War das bei Ihnen nicht so?«
    Marian Goldstein sah mich mit großen Augen an.
    »Ach, nicht nur hübsch, sondern auch noch schlagfertig. Alle Achtung, Michael, du beweist mal wieder Geschmack.«
    Dann wandte sie sich abrupt um und ging zu ihrem Regisseur zurück.
    Grant begrüßte die Gruppe und gab mir mit stummen Gesten zu verstehen, da ss ich weiteren Ärger verhindern sollte. Aber das war nicht nötig. Michael küsste mich flüchtig, entschuldigte sich und verließ wütend das Lokal. Ich konnte ihn verstehen.
    Im Laufe des Abends beobachtete ich Marian Goldstein, wann immer es ging. Sie liebte es offenbar, im Mittelpunkt zu stehen. Immer wieder demonstrierte sie betont ihre Intimität mit Morton Went, berührte, kü sste, streichelte ihn, lachte laut und redete viel.
    Als sich unsere Blicke einmal trafen, flüsterte sie Went etwas zu und deutete auf mich. Er sah in meine Richtung und grinste breit. Mir fiel ein, da ss ich noch nie eine Frau getötet und ihr Blut getrunken hatte. Vielleicht würde Marian Goldstein die erste sein. Aber ich hatte viel zuviel zu tun, um noch weiter über Michaels Frau nachzudenken. Gegen drei Uhr morgens verschwand sie endlich mit ihren Leuten. Eine Stunde später schlossen wir den Club, und ich ging schlafen.
    Am frühen Abend des nächsten Tages telefonierte ich kurz mit Michael, der sich noch einmal für seinen plötzlichen Ausbruch entschuldigte. Wir verabredeten uns für den kommenden Abend.
    Dann besuchte ich mal wieder Professor Barker. Wir waren in letzter Zeit mit unseren Forschungen nicht sehr viel weitergekommen. Die alte Handschrift erwies sich als harter Brocken. Wann immer er Zeit fand, vergrub sich der Professor in die Kryptographien und übersetzte mühsam Wort für Wort. Oft saß ich schweigend bei ihm in seinem Arbeitszimmer, beobachtete ihn bei der Arbeit, brachte ihm zu essen und zu trinken und arbeitete mich durch den wachsenden Berg an okkulter Literatur, die der Professor aus schier unerschöpflichen Quellen zutage förderte. Seit er von meiner Existenz wusste, hatte sich seine Bibliothek immens vergrößert. Er kaufte Nachlässe, stöberte in alten Archiven und führte zahlreiche Telefongespräche mit Kollegen in aller Welt, ohne jemals auch nur den Hauch einer Andeutung zu machen, dass es mich gab. Es hätte ihm ohnehin niemand geglaubt.
    Eines Spätnachmittags saßen wir wieder bei ihm zusammen. Ein warmer Sommertag neigte sich seinem Ende zu. Wir hatten viel gearbeitet. Plötzlich schlug Barker ein Buch zu und sagte: »Schlu ss jetzt, ich muss den Kopf freikriegen. Draußen ist es wunderbar. Ludmilla, lassen Sie uns ein bisschen spazieren gehen.«
    »Gern, Professor.«
    Ich war ein wenig erstaunt über seinen plötzlichen Vitalitätsschub, und außerdem war es mir draußen eigentlich noch viel zu hell. Aber ich wollte Barker den Spaß nicht verderben und hatte nichts dagegen, mir kurz auf dem Grundstück die Beine zu vertreten.
    Doch der Professor wollte einen richtigen, kleinen Ausflug machen.
    »Lassen Sie uns zu dem großen Wald vor den Toren der Stadt fahren. Ein großes, wunderschönes Naherholungsgebiet, wo ich als Kind immer mit meinen Eltern gewesen bin. Da wollte ich schon lange mal wieder hin.«
    Er zögerte. »Und manchmal kommen mir beim Spazierengehen die wirklichen wichtigen Eingebungen. Gerade, wenn ich an alten Texten sitze.«
    Er schien gemerkt zu haben, dass ich nicht begeistert war, und lächelte mich entwaffnend an.
    »Sie wissen, wie man eine Frau rumkriegt, Professor«, sagte ich und stand auf.
    Wir fuhren mit dem Wagen des Professors und parkten auf einem großen Parkplatz am Rande des Naherholungsgebietes. Der Wald erstreckte sich vor uns wie eine gewaltige dunkle Masse aus dichtem Grün. Wir stiegen aus und gingen langsam auf die Baumgrenze zu. Es waren noch Spaziergänger unterwegs. Der größte Teil der Besucher hatte sich aber bereits wieder auf den Weg zurück in die Stadt gemacht. Es war etwa 18 Uhr, als wir die ersten Bäume passierten. Schon nach wenigen Sekunden umgab Barker und mich ein seltsames Zwielicht. Der Wald war ungewöhnlich dicht. Das warme Licht der Abendsonne drang nur hier und da durch die Wipfel der Bäume und sorgte für ein grandioses Farbenspiel. Alle Geräusche klangen

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