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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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anderen zogen sich zurück. Pia nahm meine Hand und zog mich hinter den anderen her, die auf einen Hügel am Rande der Lichtung zugingen. Er war dicht mit Dornenbüschen bewachsen. Doch die große Frau griff einfach mitten in die Dornen hinein, zog an etwas, und lautlos glitt eine getarnte Tür zur Seite und gab den Blick in das Innere des Hügels frei. Im Licht von Fackeln, die an den Wänden hingen, sah ich einen gemauerten Gang, der in einem steilen Winkel nach unten führte. Wir schritten ohne ein Wort hinab. Mir fiel auf, dass alle ungeheuer leise, fast lautlos gingen, und ich versuchte, es ihnen gleichzutun. Erstaunlicherweise gelang es mir sofort. Pia hielt noch immer meine Hand. Ich war ihr dankbar. Diese Geste tröstete mich. Denn trotz aller Freude, endlich meinesgleichen gefunden zu haben, war ich verwirrt und ängstlich. Was sollte jetzt mit mir geschehen?
    Wir gingen schweigend weiter. Die Mauern links und rechts waren geschmückt mit Gemälden aus allen möglichen Epochen, vor allem aber Klassiker. Ab und zu sah ich Türen, die jedoch alle geschlossen waren. Die Halter der Fackeln an den Wänden schimmerten golden. Der Fußboden war mit Terracotta-Fliesen bedeckt.
    Schließlich machte der Gang eine scharfe Rechtskurve und gab den Blick auf ein Gewölbe frei. Es war der Raum aus meinen Träumen. In der Mitte stand, vom Licht der Fackeln beleuchtet, der große, steinerne Tisch. Die hochgewachsene Frau setzte sich ans Kopfende, und zwei der anderen Vampire begleiteten sie und platzierten sich jeweils links und rechts von ihr. Die anderen blieben im Hintergrund, darunter auch Pia.
    »Setz dich da ans Ende des Tisches, Ludmilla«, sagte die Frau.
    Wortlos nahm ich den angewiesenen Platz ein.
    »Ich bin Var«, stellte sie sich vor. »Ich leite diesen Orden. Seit vierhundert Jahren.«
    Sie sah mich an und ließ ihre Worte auf mich wirken. Vierhundert Jahre. Würde auch ich so lange leben?
    »Neben mir sitzen Solveigh und Dinah. Mit ihnen berate ich mich. Die anderen sind Novizinnen. Auch du gehörst jetzt dazu.«
    Ich wollte etwas sagen, doch Var hob die Hand, und ich schwieg. Die Autorität, die von dieser Frau ausging, war fast mit den Händen zu greifen.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Du hast viele Fragen. Aber la ss mich dir zuvor einiges erklären, dann wirst du vieles besser verstehen.«
    Sie hielt kurz inne und sah mich an. In ihren Augen konnte ich den Tod sehen.
    »Du weißt«, fuhr sie fort, »wer wir sind. Wie ich von Pia hörte, hast du Bücher gelesen und kennst die Legenden. Nicht alles, was geschrieben steht, stimmt. Aber das meiste ist die Wahrheit, auch wenn sie für die Menschen heute unglaublich klingt. Aber glaub mir, Ludmilla. Es hat eine Zeit gegeben, da war die Existenz von Vampiren für die Menschen selbstverständlich. Es war keine gute Zeit für uns. Denn sie taten alles, um uns zu vernichten. Und beinahe wäre es ihnen auch gelungen. Wenn wir nicht gehandelt hätten.«
    Var schwieg. Sie schlo ss ihre Augen und schien in die ferne Vergangenheit hinabzutauchen, die sie eben in ihren Worten beschworen hatte.
    Ich beobachtete die anderen. Sie saßen reglos da und starrten ihre Oberin an. Niemand sagte etwas.
    Dann öffnete Var ihre Augen, lächelte und entblößte eine Reihe spitzer, scharfer Zähne.
    »Du fragst dich sicher, mein Kind, was dieses seltsame Versteckspiel sollte, warum wir dich nicht gleich eingeweiht und in unsere Reihen aufgenommen haben? Nun, die Antwort ist einfach. Auch wir, Ludmilla, haben Gesetze. Und das aus gutem Grund. Und eines dieser Gesetze besagt, da ss nur die Oberin jedes Ordens neue Vampire erschaffen kann. Und dann, nach ihrer Geburt, müssen die Jungen mindestens ein Jahr sich selbst überlassen bleiben. Ahnungslos, ohne Hilfe. Sie müssen selbst erkennen, was sie sind, sich damit abfinden und zeigen, ob sie sich tarnen und überleben können. Ob sie würdig sind, Vampire zu sein. So will es das Gesetz, das die alten Schwestern einst verabschiedet haben. Natürlich werden die Neuen von uns beobachtet. Auch du bist beschattet worden, Ludmilla. Wer innerhalb dieser Probezeit versagt, wer verrückt wird, wer dem Blutrausch erliegt, sich Menschen offenbart und eine Gefahr für uns darstellen könnte – wird beseitigt. Ausnahmslos. So will es das Gesetz. Du hast deine Probezeit bestanden, Ludmilla. Du hast dich getarnt, du warst vorsichtig und geschickt. Pia, die dich beobachtet hat, wusste nur Gutes über dich zu berichten. Wir hätten dich bald besucht, mein

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