Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin
irgend etwas zu verbergen hatte.
Noch am selben Abend bohrte er auch bei mir nach.
»Ich habe mit Grant über dich gesprochen«, sagte er und sah mich an.
»So?« antwortete ich und schwieg.
»Er scheint auch nicht viel mehr über dich zu wissen als ich.«
»Ist das mal wieder ein Verhör?«
»Ludmilla, zu fragen, wer du bist, wo du herkommst und wovor du fliehst, ist kein Verhör, sondern lediglich Anteilnahme. Ich stelle dir diese Fragen nicht als Polizist, und das weißt du.«
»Woher willst du wissen, da ss ich vor etwas fliehe?«
»Ludmilla, ich merke es, wenn Leute vor irgend etwas weglaufen. Also, wovor bist du weggelaufen?«
Ich zögerte. Dann sagte ich: »Michael, mir ist etwas passiert. Etwas Schreckliches, das nichts mit Grant, dem Club oder mit irgendwem hier zu tun hat. Aber ich möchte, ich kann nicht darüber reden. Noch nicht. Und ein für allemal. Ich weiß nichts über den Überfall, über Serges Tod und all das. Und ich will darüber auch nichts wissen.«
Er runzelte die Stirn. »Ich dachte nur…«
»Michael, bitte.«
»Okay, versprochen. La ss uns nicht mehr darüber reden.«
Ich merkte, wie viel Mühe es ihn kostete, nicht mehr nachzuhaken. Aber er wusste, er musste warten, wenn er mich nicht verlieren wollte.
Um mich regelmäßig zu sehen, kam Michael sogar gelegentlich abends in den Club. Er saß oft an der Bar und sah mir bei der Arbeit zu. Grant, der natürlich von uns wu sste, gefiel das.
»Das adelt uns, wenn selbst die Bullen kommen«, sagte er einmal und grinste mich entschuldigend an. Er war vor allem zufrieden, da ss Michael keine Fragen mehr stellte und sich scheinbar damit abgefunden hatte, dass er hier bei seinen Ermittlungen nicht weiterkam.
Carl würdigte Michael – wie ich es vorausgesehen hatte – keines Blickes. Jetzt hatte ich auch noch einen Freund angeschleppt, und dann sogar einen Polizisten. Für ihn war das geschäftsschädigend. In einen Nachtclub gehörte nach seiner Meinung alles mögliche, nur keine Beamten der Exekutive.
Aber wie mit allem, was mich betraf, fand er sich zähneknirschend mit der Situation ab.
Schließlich kehrte auch Linda in den Club zurück. Ich war sehr froh, sie wieder um mich zu haben. Vor allem machte es Spaß, von Frau zu Frau über meine Beziehung zu Michael zu reden. Linda stürzte sich in die Arbeit und sorgte für noch mehr Pep in unserem Live-Programm. Grant fühlte sich unglaublich geschmeichelt, als sein Club in einem Artikel über das Nachtleben der Stadt als »In -Laden erster Güte« bezeichnet wurde.
Ich versuchte, all das, so gut es ging, zu genießen. Doch meine unheilvolle, wahre Natur schwebte wie ein Damoklesschwert über der vermeintlichen Harmonie. Ich vergaß nie, was ich wirklich war. Wenn der Hunger kam, ging ich weit fort und nahm mir in aller Heimlichkeit, was ich brauchte, um weiter zu existieren. Wie eine Drogenabhängige, die ihre Sucht verbirgt, sie ha sst und doch nicht davon lassen kann.
Ich tat so, als ob ein menschliches Leben für mich möglich sei. Ich hatte einen Partner, Freunde, einen Job. Aber hinter der Fassade lauerte das Böse. Nur meine außergewöhnlichen psychischen Kräfte halfen mir, das alles durchzustehen.
Eines Abends saß ich mit Michael an einem Tisch, als plötzlich die Tür aufging und eine Gruppe von sechs Personen hereinkam. Sie unterhielten sich lebhaft, lachten laut und schienen bester Stimmung zu sein. Michael sah zur Tür und erstarrte.
»Was ist?« fragte ich.
»Marian«, sagte er nur, und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich.
Ich erkannte sofort die Frau aus dem Restaurant wieder. Marian Goldstein! Sie trug ein langes Abendkleid und hatte sich bei einem Mann mittleren Alters eingehakt, Morton Went, dem Regisseur, für den sie ihre Ehe geopfert hatte. Sie deutete gerade auf einen freien Tisch, als sie plötzlich Michael und mich am Tisch entdeckte.
Sie flüsterte Went etwas ins Ohr und kam lächelnd auf unseren Tisch zu.
»Michael, ich wu sste gar nicht, dass du diesen Laden hier besuchst. Und dann noch in so netter, junger Begleitung.«
Sie blieb vor unserem Tisch stehen und sah mich provozierend an. Ich ha sste sie vom ersten Augenblick an. Sie schien ihren kleinen Auftritt sehr zu genießen.
Michael stand langsam auf.
»Deine Freunde warten, Marian«, sagte er und deutete mit dem Kinn zu Went und seinen Leuten.
»Ach, du willst uns nicht vorstellen? Dann tu ich es eben selber.«
Sie streckte ihre Hand in meine Richtung. »Ich bin Marian
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