Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin
wie andere«, sagte ich und merkte sofort, wie banal diese Worte in Goldsteins Ohren klingen mu ssten.
»Wie bist du denn, Ludmilla?« fragte er und wechselte, ohne da ss es mich störte, zum Du.
»Sag du mir, wie ich bin«, antwortete ich.
»Du bist verschlossen, geheimnisvoll, leidenschaftlich und wunderschön. Du gefällst mir, Ludmilla. Sehr sogar.«
Er griff nach meine r Hand. Ich ließ es zu und genoss die Berührung.
Alles in mir war in Aufruhr. Ich fühlte mich zu diesem Menschen hingezogen. Seine Gegenwart erregte mich, und zum ersten Mal seit meiner unheimlichen zweiten Geburt fühlte ich mich wieder als Frau. Und das hatte ich der bloßen Anwesenheit dieses Mannes zu verdanken. Aber ich wu sste, dass wir keine Zukunft hatten. Ein Vampir und ein Polizist. Was für eine Ironie!
Und trotzdem ließ ich es geschehen. Meine Hand lag in seiner. Ich spürte die Hitze, die von ihm ausging. Langsam wurde es wirklich gefährlich für mich. Aber dann war mir auf einmal alles egal.
»Du willst mich, stimmt’s?« fragte ich. »Aber du musst noch ein bisschen reden, flirten, erobern, nicht wahr?«
»Du kannst Gedanken lesen«, antwortete er. »Und du scheinst zu wissen, was du willst.«
Ich stand auf, ging um den Tisch herum und stellte mich vor ihn.
»Ja, also lass uns hier weggehen, Michael. Lass uns irgendwo hingehen, wo wir allein sind.«
Er stand auf, nahm meine Hand, und wir gingen hinaus. An der Tür gab er dem Kellner noch schnell einen Geldschein. Er sagte kein Wort. Auch dafür hätte ich mich schon in ihn verlieben können. Er hatte begriffen, wie besonders diese Situation für mich war. Jedes falsche, jedes überflüssige Wort hätte die Magie des Augenblicks zerstören können.
Draußen nahm er mich wie selbstverständlich in den Arm und sagte: »Mein Wagen steht gleich da vorn. Ich wohne zehn Minuten von hier.«
Dann kü ssten wir uns das erste Mal. Es war jener magische Moment, wenn die Lippen zweier Menschen, die sich zueinander hingezogen fühlen, sich das erste Mal berühren. Ein Moment, in dem die Zeit still zu stehen scheint. Ein Moment, der manchmal intensiver und bedeutungsvoller ist als alles, was später passiert zwischen diesen beiden Menschen. Es war ein leidenschaftlicher, drängender Kuss. Michael Goldstein und ich waren ganz einfach verdammt scharf aufeinander.
Wir lösten uns voneinander und stiegen in seinen Wagen. Während der Fahrt fühlte ich mein Herz klopfen. Spürte Michaels Wärme neben mir. Roch den Duft seiner Haut, spürte darunter sein Blut. Und doch dachte ich nicht ans Trinken. Es war ein ganz anderer Hunger, der jetzt in mir war. Ich wollte einen Mann, diesen Mann, und sonst nichts.
Michael hielt vor einem frisch renovierten Altbau. Ich folgte ihm wortlos die Treppen hinauf.
Er machte kein Licht, als wir die Wohnung betraten. Kurz schien er unschlüssig zu sein, wie er sich weiter verhalten sollte. Gleich ins Bett oder noch etwas Geplänkel, um die Form zu wahren?
»Wo ist das Schlafzimmer?« fragte ich.
Er deutete auf eine Tür. Ich ließ ihn los, ging hinein und begann, mich im diffusen Licht einer Straßenlaterne, die vor dem Fenster stand, auszuziehen. Michael folgte mir, blieb stehen und sah mir zu.
Als ich nackt war, ging ich zu ihm, legte meine Arme um seinen Hals und sagte: »Jetzt kann’s losgehen, Herr Kommissar.«
Er lachte, drückte sich an mich, kü sste meinen Nacken, und ich spürte das erste Mal seit meiner zweiten Geburt wieder die Erregung eines Mannes. Und es gefiel mir noch besser als früher.
Michael und ich verbrachten eine wunderbare Nacht. Er liebte mich mit der Intensität eines Verzweifelten. So als wollte er all die Verletzungen, die seine Frau ihm zugefügt hatte, vergessen und in mir aufgehen. Und mir erging es ähnlich. Ich wollte mich nur noch als Frau fühlen und nicht mehr als Untote, die nachts umherzieht und anderen den Tod bringt. Wir klammerten uns aneinander, mit der Leidenschaft und Energie zweier Individuen, die allein waren und es endlich nicht mehr sein wollten.
Als wir schließlich erschöpft nebeneinander lagen, war ich erfüllt von einer tiefen Ruhe. Ich lag in Michaels Arm, spürte die Hitze seines Körpers und wünschte mir, dass ich ihn schon als Mensch kennengelernt hätte.
Als er schließlich eingeschlafen war, löste ich mich vorsichtig aus seiner Umarmung, kroch aus dem Bett, zog meine Sachen an und verließ leise die Wohnung. Als die Tür ins Schlo ss fiel, wachte Michael auf. Ich hörte, wie er kurz
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