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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Füller. Können wir jetzt gehen?«
    Augenblicklich stand der Beamte wieder auf den Beinen und keifte: »Bitte sagen Sie nie wieder Wachtmeister zu mir! Und Geschenke nehme ich nicht an! Glauben Sie, ich bin blöd genug, mich einer Bestechung schuldig zu machen?«
    »Bestechung? Mit einem kaputten Füller?«
    Ein zweiter Beamter betrat den Raum. Erst bei genauem Hinsehen erkannte Leon, dass es eine Frau war. Sie trug einen Stoppelhaarschnitt und bewegte sich merkwürdig zackig. Aber sie veränderte die Situation sofort zu Leons Gunsten. Sie fragte kurz und knapp: »Leon Schwarz und Michael Homburger?«
    »Ja«, sagten Maik und Leon gleichzeitig.
    »Kommen Sie bitte mit.«
    Die beiden sahen sich an. Der Vollzugsbeamte hinter der Theke reckte sein Kinn hoch.
    Die Frau mit dem Bürstenkopf ging voran. Ohne sich noch einmal umzudrehen kommandierte sie: »Folgen Sie mir.«

    Holger Schwarz hatte einen Verband am rechten Handgelenk und ein breites Pflaster auf dem Handrücken. Statt seiner gegelten Elvistolle trug er einen Mittelscheitel. Die Haare hingen herab und verdeckten einen Teil seiner Stirn. Sein rechtes Auge war blaugrün umrahmt und seine Nase geschwollen.
    Er hatte sofort Tränen in den Augen. Er wollte so gerne stark sein, aber jetzt, da er seinen Sohn sah, brach er innerlich zusammen. Die beiden flogen sich in die Arme und hielten sich fest umklammert. Ihnen fehlten die Worte, aber ihre Körper sprachen eine deutliche Sprache.
    Der harte Gesichtsausdruck der Beamtin mit den Stoppelhaaren veränderte sich. Er wurde weicher, weiblicher. Sie konnte den Blick nicht von den beiden wenden. Maik sah es ihr an: sie dachte an ihren eigenen Vater.
    Eigentlich war es einem Untersuchungshäftling nicht erlaubt, seinen Besuch zu umarmen, denn jede Berührung war verboten, damit keine Papiere übergeben werden konnten. Aber die sonst so schneidige Vollzugsbeamtin schaffte es nicht, die beiden zurechtzuweisen.
    »Geht es dir gut, Junge?«, fragte Holger Schwarz seinen Sohn mit trockenem Mund.
    »Ja, Papa. Ich bin okay. Aber was ist mit dir? Du bist verletzt worden? Was ist mit deinen Haaren?«
    Holger Schwarz spielte die Angelegenheit herunter. »Ein kleiner Streit unter Gefangenen.«
    Sie schwiegen eine Weile, dann fragte Holger Schwarz: »Kommst du klar?«
    »Ja, Papa. Ich wohne bei Fischers.«
    Erleichtert blickte Holger Schwarz Maik Homburger an. »Danke«, sagte er. »Danke, dass Sie sich um meinen Sohn kümmern. Danke.«
    Leon hatte so viele Fragen. Er wollte sich eigentlich Notizen machen. Er hatte vor, alles zu sammeln, was für die Unschuld seines Vaters sprach. Aber jetzt war sein Kopf leer wie eine ausgeräumte Lagerhalle. Das Gespräch rauschte an ihm vorbei wie ein Wasserfall, der in einen reißenden Fluss prasselt. Er hörte nur noch Geräusche, in denen die Worte versanken. Es ging um Geld, eine Kontovollmacht und das Wort Erziehungshilfe fiel. Mehrmals war von einem Anwalt die Rede.
    Maik wollte die Adresse aufschreiben, aber sie hatten keinen Stift mehr.
    Kaum draußen, fielen Leon alle drängenden Fragen wieder ein. Er hörte jedes einzelne Geräusch ganz genau. Die Vögel, einen Lkw, und jemand schimpfte über die Scheiß-Mülltonnen, die im Sommer viel zu selten geleert würden.
    Der Wind streichelte Leons Gesicht. Da merkte er, dass es tränennass war. Seine Gedanken wurden wieder klar. Er fragte Maik nach der Adresse des Anwaltes und was überhaupt genau besprochen worden sei.
    Maik nahm Leon in den Arm. »Mach dir keine Sorgen, mein Freund. Dein Vater ist ein tapferer Mann. Er wird das alles durchstehen.«
    »Sie haben ihn verhauen«, empörte sich Leon. »Richtig zusammengeschlagen …«
    »Ein Knast ist kein Streichelzoo«, sagte Maik trocken.

19
    Der Rechtsanwalt Rolf Summerer machte einen guten Eindruck auf Leon. Er war freundlich und hatte eine zupackende Art, die Leon Mut machte. Er strahlte einen grundsätzlichen Optimismus aus, auch wenn seine Sachaussagen wenig Anlass zur Freude gaben.
    Er saß hinter einem aufgeräumten Schreibtisch und guckte gebannt auf seinen Laptop, aber er stand sofort auf, als seine Sekretärin Leon und Maik in den Raum brachte. Er bat sie, an einem runden Tisch Platz zu nehmen, auf dem Kekse standen. Er bot Kaffee und Mineralwasser an, dann erklärte er: »Dein Vater befindet sich in Untersuchungshaft, Leon. Das hört sich schlimmer an als es ist. Erst wenn das Gericht die Klage der Staatsanwaltschaft zulässt, kommt es zu einem Hauptverfahren. Im Moment steht dein

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