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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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aber er schluckte die Worte hinunter. Ihm war durchaus klar, dass er nicht wirklich dort bleiben konnte – selbst wenn die Kripo mit der Spurensicherung fertig war. Er fragte sich, ob er jemals wieder dort ein Auge würde zumachen können, wo seine Mutter ermordet worden war.
    Er fühlte eine Welle der Dankbarkeit in sich aufsteigen. Hier bei den Fischers war er sicher, und es wurde für ihn gesorgt.
    »Du musst auch fürs Erste nicht zur Schule gehen … Aber …« Frau Müller-Felsenburg blickte von Maik zu Frau Fischer. »Aber es kann ganz hilfreich sein, sich wieder in die Normalität des Alltags einzugliedern. Das hilft bei der Bewältigung …« Dann wandte sie sich wieder an Leon. »Wir können auch gerne allein miteinander sprechen, wenn du magst.«
    Leon sagte nichts dazu. Sie fuhr unbeirrt fort: »Ich leite übrigens eine Trauergruppe für Menschen, die einen Angehörigen verloren haben … Da ist auch Platz für dich. Wir haben viele Hilfsangebote.«
    »Kann ich mit meinem Vater sprechen?«
    Maik antwortete für Frau Müller-Felsenburg: »Aber sicher kannst du das. Wer will einem Jungen denn verbieten, seinen Vater zu sehen? Das wäre ja geradezu lächerlich …«
    Frau Müller-Felsenburg machte keinen optimistischen Eindruck, aber sie widersprach auch nicht. Leon beschlich das unbestimmte Gefühl, dass hier einiges verschwiegen wurde. Die wichtigsten Dinge blieben ungesagt. Entweder, weil sie so furchtbar waren oder weil die Anwesenden selbst nicht genau Bescheid wussten.

18
    Leon hatte noch nie eine Haftanstalt besucht und war froh, dass Maik ihn begleitete. Jetzt hörte Leon zum ersten Mal Maiks richtigen Namen: Michael Homburger. Irgendwie passte das nicht zu ihm, dachte Leon kurz. Es klang irgendwie zu spießig, zu deutsch. Maik sah aus wie jemand mit englischem oder spanischem Nachnamen. Wie King, Don, Wood, Gonzalez oder wenigstens Smith.
    Maik guckte Leon mit einem schrägen Blick an, als sei es ihm peinlich, Michael Homburger zu heißen.
    Der Justizvollzugsbeamte prüfte beide Ausweise lange. Er ließ sich extra viel Zeit, so als machte es ihm Spaß, die beiden zappeln zu lassen.
    Sie mussten ihre Taschen leeren. Misstrauisch betrachtete der Uniformierte Leons Füller. Offensichtlich kam ihm etwas daran verdächtig vor. Er lächelte überlegen, so als hätte er Leon überführt.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Ein Füller?«, fragte Leon zurück.
    Der Beamte lächelte. »Und was willst du damit?«
    Leon kratzte sich demonstrativ am Kopf und stellte wieder eine Gegenfrage. »Schreiben?«
    Maik trommelte mit den Fingern einen nervösen Takt auf die Theke und sagte: »War es das jetzt?«
    Aber der Beamte kümmerte sich nicht um ihn. Stattdessen schraubte er den Füller auf. Es war eine kurze Patrone drin. Damit hatte er scheinbar nicht gerechnet. Er sah richtig enttäuscht aus.
    »Tja«, sagte Leon, »eine Patrone. Wer hätte das gedacht?«
    Der Beamte verzog den Mund. Sein Magen knurrte. Er war mit dem Ergebnis ganz und gar nicht zufrieden. Er suchte die Reservepatrone. Sie klemmte oder klebte fest, deshalb klopfte er den Schaft auf die Platte der Theke. Dabei brach ein Stück von dem Plastikschraubverschluss ab, aber die Patrone kam nicht raus. Doch der Beamte gab nicht auf. Er hielt den Füller hoch und versuchte, hineinzugucken, ob sich nicht vielleicht statt einer Patrone ein anderer, verbotener Gegenstand darin befand. Er schüttelte den Schaft. Die Patrone löste sich und fiel in sein neugieriges linkes Auge.
    Maik unterdrückte mühsam ein Lachen. Leon machte sich nun Sorgen, ob der Beamte in seiner Wut vielleicht das Treffen mit seinem Vater noch verhindern könnte. Er fühlte sich plötzlich seiner Willkür total ausgeliefert.
    Der Beamte rieb sich sein Auge. Er hatte sich nicht weh getan, nur erschrocken, doch mit einer unbedachten Bewegung hatte er die andere Füllerhälfte mit der Feder von der Theke auf den Boden gefegt. Jetzt bückte er sich, um sie aufzuheben. Dabei verschwand er völlig aus Leons und Maiks Sichtfeld.
    »Tja«, sagte Maik, »wir würden uns ja wirklich gerne noch länger mit Ihnen unterhalten, aber leider haben wir einen Termin.«
    »Das Mistding ist unter den Schrank gerollt«, stöhnte der Beamte und kroch wie ein Hund, der Witterung aufgenommen hat, auf dem Boden herum.
    Maik zog die Augenbrauen hoch. Leon hatte das Gefühl, sich mit Maik auch ohne Worte zu verstehen. Er nickte.
    Maik sagte: »Wissen Sie was, Herr Wachtmeister? Wir schenken Ihnen den

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