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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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aufgeregte Frau: »Ja, äh … Frau …«
    »Leineweber.«
    »Ja, Frau Leineweber … Es ist jetzt …«, Büscher sah auf die Leuchtziffern seiner Armbanduhr, »kurz nach Mitternacht …«
    »Ich weiß, wie spät es ist. Wenn wir uns nicht kennen würden, hätte ich ja auch gar nicht angerufen. Ich habe den Mann gerade wieder gesehen. Ein Spanner. Er stand bei mir auf dem Balkon. Er hat von dort in mein Schlafzimmer geguckt.«
    »Dann rufen Sie am besten meine Kollegen an, Frau …«
    »Leineweber.«
    »Ja, meine ich ja. Ich habe nämlich genau genommen seit achtzehn Uhr Feierabend.«
    »Sie wissen gar nicht, wer ich bin, nicht wahr?«, fuhr sie ihn an, und er antwortete vorsichtshalber nicht darauf, obwohl er sich zu der Stimme kein Gesicht vorstellen konnte. Es war eine Frau, ganz klar. Zwischen dreißig und höchstens vierzig Jahren alt.
    »Sie waren bei mir im Anti-Raucher-Training. Freies Leben ohne Qualm.«
    »Ach ja, klar. Ich habe Sie natürlich sofort an der Stimme erkannt.«
    »Nein, haben Sie nicht.«
    »Habe ich doch.«
    »Und, haben Sie durchgehalten?«
    »Hm.«
    »Glaube ich nicht. Sie sind nicht mehr gekommen. Achtzig Prozent aller Kursabbrecher fangen mit ihrer Sucht wieder an.«
    »Ich nicht.«
    »Kommen Sie denn jetzt – oder nicht?«
    »Ist er denn noch auf dem Balkon?«
    »Nein, natürlich nicht. Als ich ihn sah, habe ich geschrien, und da ist er geflüchtet.«
    Büscher richtete sich auf. Er war im Wohnzimmer vor dem Fernseher eingenickt.
    Er suchte die Fernbedienung und schaltete aus.
    »Ich arbeite gerade an einem komplizierten Mordfall. Ihre Sache ist etwas für die Kollegen von der Sitte.«
    »Das sagen Sie nur, weil es Ihnen peinlich ist, mich zu sehen.«
    Büscher stöhnte: »Warum sollte mir das peinlich sein?«
    »Na, weil Sie wieder angefangen haben zu rauchen!«
    »Hab ich nicht, sagte ich bereits.«
    »Und warum kommen Sie dann nicht?«
    Büscher ging mit dem Handy zum Kühlschrank und suchte nach einer Erfrischung. Im Tiefkühlfach fand er eine angebrochene Packung Spinat und Erdbeereis, das dort seit dem letzten Sommer vor sich hin kümmerte und längst das Verfallsdatum überschritten hatte. Er fischte das Eis heraus und trug es zum Tisch. Während er mit links das Handy ans Ohr drückte, versuchte er, mit rechts die Packung zu öffnen, was ihm nicht gelang. Er drückte jetzt den Ellenbogen der Linken noch auf die Eisbox, um sie auf dem Tisch festzuklemmen, trotzdem schaffte er es nicht, den Plastikdeckel anzuheben. Er war von einer dicken Eisschicht aus weißen Kristallen umrandet.
    »Ich will aber nicht bei Ihren Kollegen von der Sitte anrufen«, beschwerte sich Frau Leineweber.
    »Warum nicht? Die Jungs sind schwer in Ordnung.«
    »Nein!«, schimpfte sie. »Die halten mich doch nur für eine hysterische Kuh mit Verfolgungswahn!«
    »Wie kommen Sie denn darauf, Frau … äh …«
    »Ich habe da so meine Erfahrungen …«, sagte sie bedeutungsschwanger.
    »Was soll das denn heißen?«
    Es gelang Büscher, Teile vom Eisrand abzuknibbeln. Jetzt schob er zwei Spitzen einer Gabel unter das Plastik und versuchte, den Deckel aufzuhebeln.
    »Vor zwei Jahren ist einer Freundin von mir aus Surheide etwas Ähnliches passiert. Die stand hinterher da wie eine Verrückte, die sich nur interessant machen wollte, weil sie einsam ist. Die sah keine andere Möglichkeit mehr für sich und ist weggezogen.«
    »Weil ihr das so peinlich war?«
    »Nein, um diesen … diesen … naja, wie nennt man das, ein Stalker war es ja nicht, er hat sie schließlich nicht angerufen oder sonstwie belästigt. Er hat sie nur betrachtet … Also, um diesem Mann zu entkommen, ist sie umgezogen. Am liebsten wäre sie weit weg geflüchtet, aber das ging nicht wegen ihrer Arbeitsstelle im Zollamt. Wer gibt heutzutage schon einen festen Arbeitsplatz auf? Aber sie war kurz davor.«
    Der Plastikdeckel zischte mit einem »Plopp« hoch und knallte Büscher gegen die Stirn. Ein paar Eisbrocken klatschten in sein Gesicht. Ein Stück flog in sein rechtes Auge.
    Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Was ist? Hat es Ihnen jetzt die Sprache verschlagen?«, fragte Frau Leineweber.
    »Nein … ich … ähm … Und Sie glauben also jetzt, dass dieser Mann inzwischen nicht mehr Ihre Freundin beobachtet, sondern Sie?«
    »Nein, verdammt, das denke ich nicht!«
    »Nicht?«
    »Nein. Ich kenne den Mann doch gar nicht. Ich glaube, dass es irgendein anderer Verstörter ist. Ich wollte bloß nicht die gleiche

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