Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
konnte er mit den Fingernägeln drehen und schließlich herausziehen aus der Wand wie einen langen Nagel.
    Ungläubig betrachtete Leon das Teil. Er wusste augenblicklich, was er da in der Hand hielt. Es war eine winzige Kamera.
    Er erschrak, denn in diesem Moment klingelte es an der Haustür, und gleichzeitig klopfte jemand von außen an das Fenster, durch das Leon wieder ins Haus gestiegen war. Rasch steckte er die Kamera ein, wie ein Beweisstück, das schnell beseitigt werden musste.
    Leon hörte die Stimme von Ulla Fischer, hell, fast hysterisch. Sie sprach mit einem Mann, der eine dunkle Whiskystimme hatte und sich anhörte wie jemand, der an einer schweren Sommergrippe litt und eigentlich ins Bett gehörte.
    Leon ahnte, dass die Polizei gekommen war, um ihn zu holen. Für einen kurzen Moment war er in Versuchung, den Brief seiner Mutter einfach aufzuessen, aber da er noch so viele in der Jacke hatte, war ihm klar, dass er sie unmöglich alle essen konnte. Am liebsten hätte Leon sich versteckt, aber wo?
    Ohne zu klopfen, trat Frau Fischer ein. Hinter ihr stand Fritz Brille, der heisere uniformierte Polizist. Er war dicklich, mit viel Hüftspeck, und wirkte auf den ersten Blick unbeholfen. Gegen ihn war Frau Fischer klein und zierlich.
    Fritz Brille zog den Kopf ein, als er unter dem Türbalken stand.
    Frau Fischer fragte: »Bist du gerade durchs Fenster reingeklettert, Leon?«
    In ihrer Stimme lag ein Zittern. Offensichtlich bebte sie vor Wut.
    Leon sah für sich keine Chance zu leugnen. »Ja. Ich bin gerade durchs Fenster hereingekommen.«
    Frau Fischer stöhnte. »Du treibst dich nachts auf der Straße herum? Ich dachte, wir könnten dir vertrauen! Wir tragen doch die Verantwortung für dich! Wie kannst du uns nur so hintergehen?«
    Johanna kam aus ihrem Zimmer. Sie sah verpennt aus, strubbelig und hatte Kissenfalten im Gesicht. Sie versuchte, hinter Fritz Brille einen Blick auf Leon und die Situation zu erhaschen, aber die Körperfülle des Beamten machte es ihr unmöglich.
    »Dann haben wir es also nicht mit einem Einbruch zu tun«, stellte Brille fest.
    »Nein, ein Einbruch war es nicht. Aber ein umso größerer Vertrauensbruch«, klagte Ulla Fischer.
    »Äi, was ist denn los?«, fragte Johanna.
    Fritz Brille drehte sich langsam zu ihr um und sah auf Johanna herunter.
    »Geh wieder schlafen«, sagte Ulla Fischer zu ihrer Tochter. »Du schreibst morgen eine Mathearbeit.«
    »Übermorgen!«, konterte Johanna.
    »Warum nimmst du nicht die Tür?«, fragte Fritz Brille in Leons Richtung.
    »Ich … Ich wollte niemanden wecken, damit sich keiner Sorgen macht.«
    »Na, damit warst du ja nicht sonderlich erfolgreich. Wo hast du dich denn rumgetrieben? Was war denn so wichtig?«
    »Ich … ich bin nur so rumgetigert.«
    »Rumgetigert?«
    »Ja. Ich konnte nicht schlafen.«
    Frau Fischer verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. »Ich könnte auch nicht schlafen, wenn ich draußen auf der Straße herumlaufen würde. Zum Schlafen geht man ins Bett.«
    Fritz Brille suchte Blickkontakt zu Leon. Der Polizist fand Frau Fischers Sätze wenig hilfreich.
    »Ich würde gern kurz allein mit ihm sprechen«, sagte er, aber Frau Fischer machte keine Anstalten, den Raum zu verlassen.
    Zu allem Überfluss drängte sich jetzt auch noch Johanna ins Zimmer. Sie lächelte verlegen, und ihre Zahnspange blitzte. Da niemand die diskrete Aufforderung des Polizisten ernst nahm und er genau wusste, dass er kein Recht hatte, Leon alleine zu befragen, sagte Fritz Brille: »Wir haben gerade eine Anzeige aus Lehe bekommen. Hast du dir dort Zugang zu einem Wohnhaus erschlichen und etwas gestohlen?«
    Leon wollte den Kopf schütteln, aber er schaffte es nicht. Er stand in Bewegungslosigkeit erstarrt, wie eine Gipsfigur. Er konnte nicht einmal Luft holen. Er hörte das Eis knirschen und erwartete jeden Moment, einzubrechen.
    »Ist an der Sache etwas dran?«, wollte Fritz Brille wissen.
    Wenn Maik wenigstens da wäre, dachte Leon. Der würde jetzt versuchen, mich herauszuhauen. Dem würde bestimmt etwas einfallen. Aber bis der von der Arbeit zurückkam, würden noch Stunden vergehen.
    »Die Leute haben Anzeige erstattet. Was hast du in dem Zimmer gestohlen?«
    Dann gelang es Leon zu sprechen. Er hörte sich sagen: »Ich habe nichts gestohlen. Das sind die Briefe meiner Mutter. Ich habe sie mir geholt.«
    »Parks behauptet, es sind seine Briefe.«
    Mit jedem Wort, das Leon über die Lippen brachte, wurde das Eis für ihn sicherer. »Jörg

Weitere Kostenlose Bücher