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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Parks hat meine Mutter umgebracht. Die Briefe gehören ihm nicht. Sie sind …«
    »Oh doch!«, donnerte Fritz Brille, »sie gehören ihm! Sie sind an ihn adressiert worden. Du kannst nicht einfach die Briefe, die deine Mutter an andere Menschen geschrieben hat, stehlen.«
    Etwas wandelte sich für Ulla Fischer, vielleicht weil ihre Tochter sagte: »Mama!«
    »Bitte, Herr Wachtmeister, Sie müssen das verstehen. Der Junge hat es bestimmt nicht böse gemeint. Er hat viel mitgemacht in den letzten Tagen …«
    »Ich muss die Briefe sicherstellen. Sie sind rein juristisch betrachtet Diebesgut.«
    Leon schnappte seine Jacke und rannte zum Fenster. Er riss es auf, und versuchte, zu entkommen. Eine Kraft zerrte an seiner Kleidung und riss ihn zurück. In seiner Vorstellung war es der schwere Polizist mit seinen großen, fleischigen Händen, aber in Wirklichkeit krallte sich Frau Fischer in Leons Rücken fest und hinderte ihn an der Flucht.
    Gemeinsam fielen sie hin. Dabei verlor Leon die Briefe. Sie verteilten sich auf dem Boden. Leon lag auf Frau Fischer. Sie umklammerte ihn von hinten.
    Fritz Brille bückte sich nach den Briefen und sammelte sie vom Boden auf.
    »Das sind meine Briefe!«, behauptete Leon trotzig und raffte sich auf. Er griff sich einige Umschläge. Fritz Brille nahm sie ihm ab und presste Leon fest an sich.
    Leon hatte Tränen in den Augen. Da sah er, wie Johanna einen Brief mit der Fußspitze unters Sofa schob. Dann rief sie empört: »Lassen Sie ihn!«
    Johanna ging jetzt auf Fritz Brille los. Sie versuchte, Leon zu befreien. Aber gegen Brilles festen Griff kamen sie beide nicht an.
    Ulla Fischer erhob sich und strich ihre Kleidung glatt. Schwer atmend sagte sie: »Wenn das so ist, Leon, dann müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, ob du bei uns bleiben kannst. Wir haben Regeln hier in der Familie. Keine Lügen. Keine Gewalt. Keine Diebstähle. Und …«, sie brüllte ihn jetzt an, »niemand steigt durchs Fenster ein und aus! Wir benutzen die Türen.«
    Johanna wollte Fritz Brille beißen, aber der ließ Leon los. »Haltet die Bälle flach, Kinder. Wir wollen doch alle nicht, dass daraus noch Widerstand gegen die Staatsgewalt wird, oder?«
    Leon stand ganz ruhig. Er fragte sich, was in Johanna gefahren war.
    »Ich werde – wenn du jetzt vernünftig bist – die Briefe mitnehmen und gehen. Den Rest können wir in Ruhe in den nächsten Tagen auf dem Präsidium besprechen.«
    Der Polizist wirkte jetzt gemütlich, ja freundlich auf Leon. Viel verständnisvoller als Frau Fischer. Der Zweizentnermann wandte sich jetzt an sie: »Ich muss natürlich das Jugendamt informieren.«
    Sie zuckte mit den Schultern, als sei ihr das völlig gleichgültig, aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass ihr das gar nicht passte.
    Leon räusperte sich, schielte kurz zu Johanna und sagte dann mit fester Stimme zu dem Uniformierten: »Ich verstehe, dass Sie die Briefe beschlagnahmen müssen. Es sind Beweisstücke in einem Mordfall. Ich wollte sie nur sicherstellen. Ihre Kollegen haben sie offenbar bei der Hausdurchsuchung übersehen.«
    Leon kam sich sehr schlau vor, als er das sagte. Vielleicht zahlte sich jetzt aus, dass er wie seine Mutter so manchen Krimi gelesen hatte.
    »Was für eine Hausdurchsuchung?«, fragte Fritz Brille.
    »Heißt das, Sie haben versäumt, bei dem Hauptverdächtigen die Wohnung zu durchsuchen?«
    Leon sah, wie nachdenklich der Beamte wurde. Er hatte keine Ahnung, wovon Leon sprach, aber Leon setzte ihn auf die richtige Fährte an. Der Polizist merkte nicht einmal, wie sehr Leon ihn manipulierte, oder er tat so, als ob er es nicht bemerken würde.
    »Hat Kommissar Büscher denn alles falsch gemacht?«, empörte Leon sich.
    Fritz Brille registrierte den Namen. Natürlich kannte er Büscher von der Mordkommission, und ganz sicher würde er ihm jetzt die Briefe übergeben und nicht Jörg Parks.
    Frau Fischer musste eine Quittung unterschreiben, und Fritz Brille verabschiedete sich. Er blickte Frau Fischer noch einmal sorgenvoll an und fragte: »Kann ich den Jungen wirklich hierlassen? Wir haben für solche Fälle Möglichkeiten der Unterbringung.«
    Frau Fischer winkte ab. »Nein, nicht nötig. Ich will das erst mit meinem Lebensgefährten besprechen.«
    »Und wo ist der jetzt?«
    »Auf der Arbeit. Nachtschicht.«
    Fritz Brille verabschiedete sich.

34
    Ulla Fischer sah aus, als ob sie einem Nervenzusammenbruch nahe wäre. Von wegen, »total coole Mutter«, dachte Leon. Seine Eltern wären

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