Nachtblauer Tod
gefährlich.«
Sein Pa verstand etwas von Klingen, und ein richtig gutes Herbertz oder Böker konnte ihn begeistern.
Je länger Leon darüber nachdachte, umso mysteriöser wurde das alles für ihn.
Er stand auf und trank ein Glas Leitungswasser. Dann zog er die nassen Klamotten aus. Am liebsten hätte er geduscht, aber er befürchtete, Ben, Johanna oder Ulla zu wecken. Er wollte jetzt mit niemandem reden. Er war froh, mit sich allein zu sein.
Leon plante den nächsten Schritt für morgen. Er wollte Parks besuchen und zur Rede stellen. Dann legte er sich wieder hin, aber er hatte Herzklopfen wie bei einem Dauerlauf. Er lag ganz ruhig, sah zur Decke und hörte auf seinen eigenen Atem. Sein Herz raste immer schneller. Er konnte es jetzt nicht länger im Dunkeln aushalten. Er musste genau sehen, wo er war, denn er spürte eine schleichende Angst kommen. Sie ergriff Besitz von ihm. Er wehrte sich dagegen, denn er befürchtete, gleich wieder ins Eis einzubrechen. Seine Hände krampften sich ins Sofa. Er suchte einen festen Punkt, auf den er sich konzentrieren konnte. Er brauchte Halt.
Da sah er etwas hinten an der Wand. Einen kleinen Fleck. Er bekam seine Atmung nicht unter Kontrolle, sie wurde immer schneller. Er saugte die Luft heftig ein und presste sie dann wieder aus. Er fragte sich, ob er kurz davor war, einen Herzinfarkt zu bekommen. Obwohl er sich nicht bewegte, jagte sein Herz noch schneller. Eine Unruhe packte ihn, die es ihm unmöglich machte, liegen zu bleiben.
Leon stand auf und tigerte im Raum herum wie ein gefangenes Raubtier. Er konnte nichts gegen diese Unruhe tun. Etwas in ihm trieb ihn an, sich zu bewegen. Es war, als würden die Beine von alleine laufen, wie selbständige, nur zufällig mit seinem Körper verbundene Wesen.
Er hatte Angst, alle zu wecken.
Um nicht laut loszubrüllen, hielt er sich den Mund zu. Verdammt, dachte er, ich habe mich selbst nicht mehr im Griff.
Warum sollte er warten? Er zog sich an. Er konnte sich Parks auch jetzt vorknöpfen. Vielleicht würde es ihm danach besser gehen.
Es schien ihm sicherer, aus dem Fenster zu klettern, als die Tür zu nehmen. Er wollte nicht erwischt und nicht angesprochen werden.
31
Leon pirschte durch die Stadt wie eine Raubkatze, die Witterung aufgenommen hat. Er kam sich vor wie ein fremdes Wesen, den Blicken der Menschen versuchte er auszuweichen. Er nutzte jedes Versteck, huschte von einem Häusereingang zur nächsten Deckung hinter einem Auto. Er schien mit der Umwelt zu verschmelzen. Noch nie im Leben hatte er sich so merkwürdig benommen. Er musste an einen Film über Ninjakrieger denken. Damals, als er ihn gesehen hatte, fand er ihn doof. Jetzt erschienen ihm diese fast unsichtbaren Krieger wie eine Offenbarung. Ja, so wollte er sein, er musste vielleicht sogar so sein, um den Mörder seiner Mutter zu überführen und seinen Vater aus dem Gefängnis zu holen.
Parks wohnte in einem Einfamilienhaus mit gepflegtem Vorgarten im Bredenweg. Kletterrosen rankten an der Wand hoch bis zum Dach. Es roch nach Vanille, und da war ein Geräusch wie eine schlecht geölte Tür, die vom Wind ständig geöffnet und wieder geschlossen wird.
In einem Kirschbaum entdeckte Leon ein altes Baumhaus. Er stieg über den Jägerzaun und schlich einmal ums Gebäude. Hinten im Garten saß ein Mann auf einer quietschenden Hollywoodschaukel und wippte pfeiferauchend hin und her.
Aha, dachte Leon, daher kommen der Duft und das Geräusch.
Die Haustür zum Garten stand offen. Der rüstige Opa da konnte doch unmöglich der Liebhaber seiner Mutter sein! Der sah auch nicht gerade aus wie ein Sportstudent, der in Kai Olschewskis Fitnessstudio trainierte. Leon folgerte daraus, dass Jörg Parks noch bei seinen Eltern wohnte.
Na klasse, dachte Leon, meine Mutter hatte einen Lover, der sich von seiner Mutter noch die Hemden bügeln lässt.
Aus dem Haus ertönte eine weibliche Stimme: »Hermann! Du sollst doch nicht so viel rauchen! Dein Herz! Denk an dein Herz!«
»Ich warte nur auf Jörg!«, antwortete Hermann Parks, dem offensichtlich jede Lüge recht war, um noch ein bisschen Zeit allein mit seiner Meerschaumpfeife im Garten zu verbringen.
Leon wog ab, was dagegen sprach, einfach durch die offene Tür ins Haus zu huschen. Er wusste nicht, was er suchte, er suchte einfach. Kolumbus, dachte er, hat Amerika auch nicht gesucht und trotzdem entdeckt.
Er sammelte Beweise für die Schuld von Jörg Parks, und er hatte das Gefühl, ganz nah dran zu sein. Wenn Hermann
Weitere Kostenlose Bücher