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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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demütigende Erfahrung bei der Polizei machen wie meine Freundin. Deshalb rufe ich Sie an.«
    Büscher rieb sich das Auge. Dann stocherte er mit der Gabel ins Erdbeereis hinein. Es war von weißen Kristallen überzogen. Das rote Eis wirkte verglichen mit dem Bild auf der Packung blass, merkwürdig kraft- und geschmacklos. Die Erdbeeren sahen auf der Packung unwiderstehlich saftig aus. Im Eis glichen sie eher verschrumpelten Rosinen.
    Er probierte davon, aber es schmeckte schon fad, bevor es überhaupt seine Lippen berührte. Er warf die ganze Packung in den Müll.
    »Bitte, was erwarten Sie von mir, Frau Wollenweber?«
    »Leineweber.«
    »Ja, dann eben Leineweber. Also, was erwarten Sie? Soll ich mich bei Ihnen im Badezimmer auf die Lauer legen, und wenn er das nächste Mal kommt, um Ihnen beim Baden zuzuschauen, dann verhafte ich ihn – oder wie denken Sie sich das?«, maulte Büscher schlechtgelaunt.
    »Na, das ist doch endlich mal ein Vorschlag!«, giftete sie zurück.
    Sie atmete schwer. Es war ein asthmatisches Stöhnen. Dann versuchte sie es noch einmal: »Er … er beobachtet mich nicht nur. Ich glaube, er war auch in meiner Wohnung.«
    »Sie glauben …«
    »Ja. Also, ich bin mir inzwischen sicher. Er hat etwas gestohlen.«
    »Was denn?«
    »Schmuck. Ich dachte erst, ich hätte das alles einfach nur verloren. Ich meine, verlegt. Meine Tante Jutta hat mir, als sie starb, ihren Goldschmuck vererbt. Nichts besonders Wertvolles. Ein Armband mit so Gliederketten aus Gold. Mir persönlich viel zu protzig und zu schwer am Arm. Drei Paar goldene Ohrringe und …«
    »Kann es nicht wirklich sein, dass Sie alles nur verlegt haben? Man wird vergesslich mit den Jahren …«
    »Sie glauben mir kein Wort.«
    »Hm. Stimmt.«
    Büscher fragte sich, ob sie nicht vielleicht wirklich einfach eine einsame Frau war, die nur Kontakt zu ihm suchte. Plötzlich tat es ihm leid, so abweisend gewesen zu sein.
    Bevor er sich entschuldigen konnte, fragte sie: »Warum sind Sie eigentlich so gemein? Ich hatte Sie als netten Menschen in Erinnerung.«
    »Ich … Verzeihen Sie … Ich wollte …« Er ärgerte sich, dass seine Erkenntnis mal wieder zu spät gekommen war. »Ich wollte nicht gemein sein. Wirklich nicht. Ich bin nur entnervt von einem schwierigen Tag und müde und …«
    »Ja, ja, schon gut. Ich habe kapiert, dass Sie mir nicht helfen wollen oder können. Ich habe es ja auch nicht geschafft, Ihnen zu helfen.«
    »Mir? Wieso? Brauche ich Hilfe?«
    »Na, ich denke schon. Mehr als ich. Ich werde nur von einem Spinner beobachtet, aber Sie bringen sich mit Ihren Glimmstängeln um.«
    »Ich sagte doch, ich rauche nicht mehr.«
    »Sehen Sie, da haben wir schon wieder was gemeinsam.«
    »Häh? Was denn?«
    »Nun, ich glaube Ihnen genauso wenig wie Sie mir.«

33
    Leon kletterte durchs Fenster wieder in die Wohnung. Er wurde dabei von Frau Kilian beobachtet, die nicht schlafen konnte. Sie hielt ihn für einen Einbrecher und rief erst bei Fischers an, und, als dort nicht sofort jemand abhob, die Polizei. Sie glaubte, das Richtige zu tun.
    Leon verkroch sich regelrecht auf dem Sofa. Er zog die Beine eng an den Körper und begann, den ersten Brief zu lesen, den seine Mutter an Jörg Parks geschrieben hatte.
    Schon die ersten Worte trieben ihm die Tränen in die Augen. Geliebter Schmusebär stand da. Er konnte kaum glauben, dass seine Mutter das wirklich geschrieben hatte, und doch wusste er: Genau so war es.
    Mein Sohn schläft. Wo Holger ist, weiß ich nicht. Er treibt sich vermutlich mit seinen Angelfreunden herum, falls er nicht bei seiner Freundin ist.
    Mein Vater hatte also auch eine Affäre? Nee, Mama, das glaube ich dir nicht. Das schreibst du nur, damit dein neuer Typ denkt, dass zwischen dir und Papa nichts mehr läuft. Oder um dich selber besser zu fühlen.
    Einerseits wollte Leon um jeden Preis weiterlesen, andererseits hielt er es kaum aus. Er fragte sich, in was für einer Familie er die ganzen Jahre gelebt hatte. War das alles nur eine riesige, große Lüge gewesen? Kannte er seine Eltern überhaupt?
    Er sah vom Brief hoch zur Wand. Er fixierte wieder diesen Fleck an der Tapete, aber diesmal – verschwommen durch seine Tränen – kam ihm etwas daran komisch vor. Vielleicht wollte er sich nur ablenken, jedenfalls stand er auf und sah ihn sich genauer an.
    Da war ein Loch in der Wand. Nicht größer als für einen Dübel, es steckte etwas drin in der Tapete. Leon befingerte eine glatte Fläche. Da war etwas, das

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