Nachtblauer Tod
sondern nur an ihren Mutterinstinkt zu appellieren und sich von ihnen retten zu lassen.
Büscher war noch viel zu sehr mit der Frage beschäftigt, ob er nun noch Raucher oder schon Nichtraucher war, außerdem hatte er schon wieder vergessen, wie der Name des Liebhabers von Kirsten Schwarz gewesen war, aber Kommissarin Schiller reagierte sofort. Ihre Hände schossen geradezu über den Tisch und entrissen dem Kollegen die Akten.
»Bingo!«, sagte sie. »Bingo!«
Im Flur stand die neue Kaffeemaschine. Büscher drückte auf »Kaffee weiß und süß«. Erst kam die Milch, dann der Zucker, schließlich der Kaffee und dann der weiße Plastikbecher.
Hinter Büscher standen zwei Kollegen Schlange. Uwe Prinz sagte stolz: »Die Maschine war ein Superschnäppchen bei Ebay. Ich hab sie ersteigert. Ich mag diese modernen Automaten nicht. Das ist ein gutes, altes …«
»Ja, klasse«, lobte Büscher den Kriminaltechniker. »Das Ding ist in etwa so zuverlässig wie deine Spurensicherung.«
Dann trat Büscher zur Seite und gab dem verblüfften Kollegen den Blick auf die Kaffeepfütze frei.
Kommissarin Schiller zog Büscher weg. »Was ist los? Was passt dir nicht? Ich merke doch, wie sauer du bist.«
»Ja«, gab Büscher zu. »Bin ich. Ich denke, wir sollten uns auf Holger Schwarz konzentrieren. Es war ihr Mann. Ich hab das im Urin.«
Sie verzog den Mund. »Gut, okay. Meinetwegen. Aber wir können bei der Beweisaufnahme schlecht deinen Urin einreichen. Wir müssen ergebnisoffen ermitteln. Jetzt haben wir neue Erkenntnisse über einen Beteiligten, und damit verschieben sich Verdachtsmomente«, referierte sie wie bei einem Lehrgang.
Büscher kam sich von seiner Kollegin gemaßregelt vor. Außerdem war er weder zu einer Zigarette noch zu einem Kaffee gekommen. So stand er da wie ein trotziges Kind, das seine Schulaufgaben nicht machen will.
»Wenn Jörg Parks der Mörder ist, dann hat er am Tatort Spuren hinterlassen. Ich fahre jetzt hin und schiebe ihm ein Wattestäbchen zwischen die Kiemen, und wenn wir am Tatort seine DNA finden, ist er reif«, sagte Kommissarin Schiller.
Büscher lächelte.
»Was grinst du denn so?«
»Ich will deinen Optimismus ja nicht dämpfen, aber wenn wir seine DNA dort finden, heißt das nur, dass er seine Geliebte manchmal heimlich zu Hause besucht hat. Mehr nicht.«
Kommissarin Schiller ließ sich jetzt von Büscher nicht mehr bremsen.
Er betastete sein Gesicht. Die Haut um sein Auge schimmerte jetzt gelblich blau, mit einem roten Rand außen herum. Es sah ein bisschen aus, als sei er in einen Regenbogen gefallen, dachte Schiller. Sie sagte aber nichts, sie war schon froh, dass er nicht mehr ihr Make-up benutzte.
43
Johanna knallte die Nordsee-Zeitung vor Leon auf den Tisch. Sie war immer noch mächtig sauer auf ihn, aber sie fand, er müsse das wissen. Sie zeigte ihm den Bericht über Frau Leineweber.
»Kann es nicht so gewesen sein? Dieser Spanner beobachtet deine Mutter, die bemerkt ihn, es gibt Ärger. Sie schreit, und er …«
Leon schüttelte den Kopf. »Nee. Kannst du dir vorstellen, wie die Polizei reagiert, wenn wir jetzt mit dem großen Unbekannten kommen? Das hat gar keinen Sinn. Dieser Büscher lacht uns aus. Es muss Jörg Parks gewesen sein! Das Schwein! Und der ist zwar ein Verbrecher, aber bestimmt kein Spanner, sondern ein ganz abgezockter, eiskalter Hund …«
Leon beendete seinen Satz nicht, aber Johanna sprach aus, was er dachte: »Und wenn die Polizei ihn nicht hopps nimmt, machst du es selber?!«
Er kaute sich die Unterlippe blutig. »Hm. Ja. Nein. Also … mir kommt es erst einmal darauf an, die Unschuld meines Vaters zu beweisen. Nur das ist wirklich wichtig. Aber mir wird schlecht, wenn ich mir vorstelle, wie er meine Mutter flachgelegt und abgezockt hat …«
Ihre Wut wurde weichgespült von einem anderen Gefühl. Sie verspürte Mitleid, aber auch Erleichterung, dass es sie nicht getroffen hatte. Sie war plötzlich so glücklich, ihre Mutter noch zu haben. Ihr wurde klar, wie schnell und hart so ein Unglück eine Familie treffen konnte. Zufällig hatte der Täter sich Leons Mutter ausgesucht und nicht ihre.
Ihre Ma war nicht auf so einen geldgierigen Schnösel hereingefallen wie Leons Mutter. Sie hatte zum Glück Maik, der gern kochte, in Filmzitaten sprach und tausend Geschichten zu erzählen hatte.
Im Grunde war sie auch gar nicht so sehr sauer auf Ben und Leon. Eigentlich galt ihre Wut mehr Jessy, der eingebildeten Barbiepuppe, die dauernd
Weitere Kostenlose Bücher