Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
Vorschrift oder Dienstanweisung ist mir nicht bekannt.«
    Es lief Leon heiß den Rücken herunter. »Nicht bekannt? Ja, wie …«
    Er befürchtete, Frau Zander könnte das Gespräch jetzt beenden. Also bettelte er regelrecht: »Bitte, legen Sie nicht auf. Es ist unglaublich wichtig für mich. Ich muss Maik Homburger sprechen!«
    »Ein Mitarbeiter dieses Namens ist mir auch nicht bekannt.«
    »Häh? Was? – Warten Sie, natürlich. Mein Fehler. Er heißt nicht Maik, sondern Michael Homburger.«
    »Ich muss das Gespräch jetzt beenden. Wir sind hier weder die Telefonauskunft noch die Seelsorge.«
    »Sie müssen sich irren, ich bin mir ganz sicher, er …«
    Ihre Stimme war scharf wie eine Papierschere. »Auch einen Herrn Michael Homburger gibt es hier nicht.«
    »Sie … Sie sind neu in der Firma, stimmt’s?«
    »Ich muss jetzt auflegen. Ich kann Ihnen wirklich nicht weiterhelfen.«
    »Ja, aber ich …«
    »Auf Wiederhören.«
    Leon wartete darauf, jetzt ins Eis einzubrechen, aber das geschah nicht. Er hatte erstaunlich sicheren Boden unter den Füßen. Es war, als würde auf einer dunklen Bühne plötzlich die Scheinwerferbeleuchtung angehen. Alles, was gerade noch schmerzhaft Grau in Grau verschwand, lag plötzlich hell und klar abgezirkelt vor ihm.
    Alles passte zusammen. Er sah sich selbst mit einem Puzzlespiel die Treppe runterfallen, und als er unten ankam, hatten sich alle Einzelteile zu einem Gesamtbild geformt. Ja, auf schreckliche Art und Weise passte auf einmal alles zusammen:
    Maik, der angeblich vor der Toilette seine Kontaktlinsen suchte und in Wirklichkeit nur Johannas Freundin durchs Schlüsselloch beobachtet hatte.
    Maik, der sein Fotoatelier nur zu gern Ben zur Verfügung stellte, wenn der seine Freundinnen fotografieren wollte.
    Die eigentliche Fotosession fand heimlich statt, mit der wurmförmigen Kamera in der Wand. So war Maik immer dabei. Von wegen zufällig auf den Computer geraten. Durchs Licht angesprungen. Er hatte garantiert die richtigen Schnappschüsse mit einem Codewort geschützt abgespeichert. Es war nur eine Unachtsamkeit von ihm gewesen, der Flüchtigkeit geschuldet, die anderen Bilder nicht gelöscht, sondern im Müllspeicher abgelegt zu haben.
    Er verließ jeden Abend das Haus. Er kam immer erst morgens zurück. Er hatte alle Zeit der Welt, als Voyeur durch die Stadt zu laufen und Frauen zu beobachten oder zu fotografieren.
    Schlafe ich hier im Hobbyraum eines Täters? Ist Maik der Mörder meiner Mutter und er hat mich hier in sein Haus aufgenommen und mein Vertrauen erschlichen? Oder dreh ich gerade einfach nur durch?
    Leon wählte die Nummer der Kriminalpolizei, doch dann drückte er den Anruf weg, noch bevor es klingelte.
    Vielleicht sollte er doch lieber erst mit Rolf Summerer sprechen, dem Anwalt seines Vaters. Aber dann entschied er sich auch dagegen. Wer sollte ihm noch glauben? Er traute sich doch inzwischen selbst nicht mehr über den Weg. Er kam sich vor wie in einem Irrgarten, einem Spiegelkabinett. Alles wurde verzerrt wiedergegeben. Die Wahrnehmung verschwamm zu einem unwirklichen Brei von Momentaufnahmen.
    Trotzdem machte er einen Plan …

44
    Als Judith Zander das Gebäude des Security-Homeservice verließ, sah sie müde aus und entnervt, wie eine junge Frau, die es verdammt nötig hatte, einfach einmal in den Arm genommen zu werden.
    Ihr Freund hatte vor zwei Tagen Schluss mit ihr gemacht. Der Pullover, den sie für seinen Geburtstag im November strickte, war noch nicht einmal zur Hälfte fertig. Sie hatte in der ersten Wut begonnen, ihn aufzuribbeln, aber dann war eine SMS von ihm gekommen, er liebe sie im Grunde noch immer. Jetzt hätte sie am liebsten weitergestrickt, bekam dabei aber abwechselnd Heulkrämpfe und Wutanfälle.
    Sie hatte fünf Minuten vor Feierabend vom Juniorchef ihre Kündigung erhalten, weil sie während der Arbeitszeit ständig auf Facebook online gewesen sei. Über ihr Leugnen hatte der arrogante Fatzke nur überheblich gegrinst. Sie seien eine Überwachungsfirma. Ob sie wirklich glauben würde, so etwas könnte bei ihnen unentdeckt bleiben.
    Er hatte ihr ins Gesicht gelacht: »Ich kann praktisch auf meinem Computer mitlesen, was Sie tun. Das ist vielleicht nicht legal, aber effektiv.«
    Man musste nicht Psychologie studiert haben, um Judith von weitem anzusehen, wie unglücklich sie war. Sie ging nicht leichtfüßig nach Hause, sondern jeder Schritt schien ihr schwerzufallen wie einem alten, kranken Menschen.
    Leon wusste gleich, dass

Weitere Kostenlose Bücher