Nachtblind
sich auflösten – oder was auch immer mit ihnen passiert –, dann muss es genau in diesem Augenblick geschehen sein. Ich habe noch nie so was gesehen … Noch nie.«
»Okay, wir werden das natürlich im Auge behalten«, sagte Rose Marie. »Aber im Moment haben wir ja nun mal nichts anderes …«
»War’s das?«, fragte Del und ging zur Tür.
»Wenn alles gut laufen würde – wirklich gut –, könnten wir in vierundzwanzig Stunden den Fall gelöst haben«, seufzte Rose Marie. »Wenn wir was gegen diesen Rodriguez in die Hand bekommen, wenn Olson versucht, Catherine Kinsley umzubringen …«
»Es müsste doch eigentlich einmal im Leben alles gut laufen«, meinte Del. »Ein einziges Mal …«
»Alles Scheiße«, knurrte Lucas. Und draußen im Flur, außer Rose Maries Hörweite, fügte er hinzu: »Sie sagt, sie würden im Auge behalten, dass es auch jemand anders sein könnte als Olson. Aber sie setzen alles auf die eine Karte – auf Olson.«
»Und wir setzen alles auf die Karte Rodriguez«, sagte Del.
»Aber es gibt da einen bedeutenden Unterschied«, sagte Lucas.
»Welchen?«
»Wir liegen richtig. Und sie höchstwahrscheinlich nicht.«
19
Del ging zum Büro des County-Staatsanwalts, um die Anträge für den Lauschangriff auf Rodriguez und die Ermächtigung zur Einsicht in seine Bankunterlagen zu begründen. Lucas ging zum Morddezernat und brachte eine Stunde damit zu, die Niederschrift von Rodriguez’ Aussage als Gast bei der Party zu lesen und ein Gespräch mit Frank Lester und Sloan über die Theorie der multiplen Persönlichkeiten zu rühren.
»Alles, was ich darüber weiß, weiß ich aus dem Fernsehen«, sagte Sloan. »Aber man muss zugeben, Olson könnte als Killer in Frage kommen. Er hat ein Motiv, er hatte Zugang zu dem Wagen, aus dem auf Jael und Sherrill geschossen wurde, er hatte keine Schwierigkeiten, an seine Eltern ranzukommen und sie zu ermorden.«
»Als er auf uns zugerannt kam, nachdem er die Leichen seiner Eltern entdeckt hatte, da … da machte er den Eindruck, als ob sein Kopf jeden Moment explodieren könnte«, sagte Lucas. »Er versuchte, sich die Haare an den Seiten aus dem Kopf zu reißen; ich habe noch nie so was gesehen. Und dann brach er einfach zusammen …«
»Könnte der psychische Druck seiner anderen Persönlichkeit gewesen sein«, sagte Lester. »Vielleicht ist er ja aber auch einfach nur beknackt.«
»Was wir da sahen, war echt«, sagte Lucas. »Er hat es nicht vorgetäuscht. Wenn seine andere Persönlichkeit seine Eltern ermordet hat, dann wusste die Persönlichkeit, die wir da gesehen haben, nichts davon.«
Als Lucas das Präsidium verließ, gingen gerade die Straßenlampen an. Fünfzehn Minuten später stellte er den Wagen vor Jael Corbeaus Haus ab und ging über die Zufahrt zum Eingang. Im Haus brannte hinter jedem Fenster Licht; draußen lag alles im Dunkeln, auch die Veranda. Als Lucas die Hand zur Klingel ausstreckte, sagte ein Mann leise von der Veranda: »Geh’n Sie ruhig rein, Chief.«
»Wer sind Sie?«, fragte Lucas ebenso leise. Er wandte dem Mann nicht den Kopf zu.
»Jimmy Smith vom Drogendezernat.«
»Frieren Sie?«, fragte Lucas, den Kopf immer noch starr auf die Haustür gerichtet.
»Nein. Ich habe meine Hirschjagdkleidung angezogen.«
»Gute Idee.« Lucas stieß die Tür auf und ging in Jaels Studio, wo er auf einen weiteren Cop vom Drogendezernat mit Namen Alex Hutton stieß, der aus einer Ecke eine 357er Pistole auf ihn richtete. Er steckte sie weg, als er Lucas erkannte, sagte: »Franklin und Jael sind oben. Sie kochen.«
»Franklin kann kochen?« Lucas konnte es nicht glauben.
»Er bringt ihr bei, wie man sich Eine-Minute-Mahlzeiten zubereitet, verstehen Sie, zum Beispiel während eines Werbespots bei der Übertragung von Football-Spielen.«
»Donnerwetter, hat der Junge Talente …«
Hutton trat einen Schritt näher, senkte die Stimme: »Warum nur ist diese Frau mir nicht schon in der ersten Hälfte meines Lebens begegnet? Sie ist verdammt … scharf.«
»Ich dachte, Sie hätten eine Frau und neun Kinder«, sagte Lucas, ebenfalls leise. Und fügte hinzu: »Außerdem, sie macht sich eher was aus anderen Frauen.«
»Ich habe nur drei Kinder«, protestierte Hutton. »Und ich glaube, Jael mag Frauen und Männer.« Er schaute zur Tür, die zum hinteren Teil des Hauses und zur Treppe nach oben führte. »Und wenn sie gern zusätzlich eine andere Frau dabeihätte, käme ich bestimmt damit auch zurecht – theoretisch
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