Nachtblind
wissen Sie das so genau?«, fragte Long.
»Wir haben das Geschoss in der Wagentür gefunden. Es ist nicht in den Innenraum gedrungen, sondern in einem Plastikgriff an der Innenseite der Tür stecken geblieben. Es stammt aus Marcys Revolver.«
Long nickte. »Okay.«
»Aber wir haben kein Geschoss aus der 44er gefunden, mit der auf Marcy geschossen wurde?«, vergewisserte sich Lucas noch einmal.
»Nein«, bestätigte Lester.
»Das ist ein Problem«, stellte Del fest.
»Ja. Wir haben nach dem Tod der Eltern Toms Motelzimmer und seinen Wagen durchsucht. Keine Waffe. Der Revolver, mit dem seine Eltern erschossen wurden, gehörte seinem Vater. Es war Lynn Olsons ›Autowaffe‹.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Lucas.
»Tom Olson hat es uns gesagt. Sein Vater führte den Revolver stets unter dem Vordersitz seines Wagens mit. Anhand der Seriennummer konnten wir die Herkunft der Waffe klären: Lynn Olson hat sie vor sechs Jahren in einem Waffenladen in Burnt River gekauft.«
»Glauben Sie, dass Tom Olson seine Eltern ermordet hat?«, fragte Towson.
»Wir haben da diese Theorie …« Lester erklärte die Theorie von der multiplen Persönlichkeit sowie die Falle, die sie Olson gestellt hatten.
»Hoffentlich klappt das mit der Falle«, sagte Towson. »Denn diese Multiple-Persönlichkeit-Theorie klingt nach absoluter Scheiße.«
Die Sekretärin steckte den Kopf durch die Tür und sagte: »Lucas, da ist ein Anruf für Sie aus dem Weißen Haus.«
Die ganze Gruppe starrte Lucas an, und er stammelte: »W-w-was?«
»Der Mann am Telefon sagte, er rufe aus dem Weißen Haus an. Und er klang nicht, als ob er Spaß machen würde.«
»Sie sollten den Anruf wohl besser annehmen«, meinte Rose Marie.
Lucas ging zum Telefon auf dem Schreibtisch der Sekretärin. Mallard sagte: »Ich wette, alle Anwesenden waren zutiefst beeindruckt. Die Sekretärin sagte mir, Sie seien bei einer Besprechung im Zimmer der Polizeichefin.«
»Mich hat es so beeindruckt, dass ich mir fast die Hose nass gemacht habe«, knurrte Lucas. »Was gibt’s?«
»Ihr Mann Rodriguez hat am Montagmorgen begonnen, Aktien zu versilbern. Es wird zwei Tage dauern, bis die Schecks bei ihm eintreffen; es handelt sich um eine Summe von einer Viertelmillion.«
»Verdammt«, sagte Lucas.
»Aus Miami habe ich nur eine Sache in Erfahrung bringen können. Rodriguez hat die Firma in Miami vor neun Jahren gegründet. Der Name des Anwalts, der das abgewickelt hat, ist Haynes, und soweit unsere Jungs in Miami bisher rausgefunden haben, scheint er sauber zu sein – kleine, diskrete Kanzlei, auf Unternehmensrecht spezialisiert. Macht auch Immobiliengeschäfte.«
»Mallard, Sie sind ein prima Kerl«, sagte Lucas.
»Haha, sehr witzig«, reagierte Mallard. »Übrigens, erinnern Sie sich an Malone?«
»Natürlich. Wie geht es ihr?«
»Sie foxtrottet inzwischen mit einem neuen Aspiranten«, sagte Mallard.
»Oh, aha … Wird er Ehemann Nummer fünf?«
»Könnte sein. Na ja, wie auch immer … Wir nehmen Rodriguez weiter unter die Lupe, aber ich dachte, Sie sollten gleich wissen, dass er Aktien zu Bargeld macht …«
Als Lucas der Runde von Mallards Anruf berichtet hatte, sagte Towson: »Das ist ein weiterer Ansatzpunkt. Und zwar ein guter. Wir müssen ihm ein paar Steine in den Weg legen.«
»Indem wir was machen?«, fragte Rose Marie.
»Irgendeine Juristen-Scheiße«, sagte Del und sah Towson an.
»Die Finanzverwaltung«, sagte Towson. »Die Steuerfahndung. Wir teilen den Leuten unseren Verdacht auf Drogengeld mit – vielleicht können sie zunächst mal das Geld blockieren, das für Rodriguez unterwegs ist.«
Rose Marie schloss die Sitzung: »Wir setzen also Rodriguez unter Druck und versuchen, Olson in die Falle zu locken. Stimmen dem alle zu?«
Alle nickten.
»Was anderes haben wir ja auch nicht«, sagte Lester.
21
Del wurde vom Drogendezernat angerufen und machte sich dorthin auf den Weg. Lucas forderte einen Polizisten vom Streifendienst an, steckte ihn in Zivilkleidung und setzte ihn als Ablösung für Lane in Marsch.
Dann rief er Lane an: »Wenn der Cop ankommt, weist du ihn ein, und dann gehst du rüber zum Büro des County-Staatsanwalts, meldest dich bei Tim Long und schaust dir die Papiere über die Darlehen von Spooner an Rodriguez an. Spooner ist wichtig: Wenn er was über Rodriguez weiß, weiß er vielleicht alles andere auch. Wenn wir es schaffen, ihn zu knacken, kann das zur Lösung des Falles ausreichen.«
»Wie viel Papier
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