Nachtblind
stirbst, krieg ich dann deinen Revolver?«, fragte Del.
Sie murmelte etwas, aber Lucas konnte es nicht verstehen, beugte sich über sie. Ihre Lippen sahen ausgetrocknet aus, fast wie verschmort. »Was hast du gesagt?«
»Ich scheiß auf euch Arschficker«, flüsterte sie und drehte den Kopf ein Stück zur Seite.
»Es geht ihr besser«, sagte Lucas erfreut. »Sie sagte, sie scheißt auf uns Arschficker.«
Weather schüttelte den Kopf: »Es ist unglaublich mit diesen Cops. Ich kann’s nicht glauben. Die Verrohung sitzt bei ihnen so unendlich tief …« Aber sie lächelte.
Lucas ging vor dem Bett in die Hocke, sagte durch den blauen Mundschutz: »Du hast Schmerzen, aber du wirst es schaffen. Wir sind dem Mistkerl auf der Spur, der auf dich geschossen hat.«
Ihr Kopf sank zur Seite, und ihre Augen fielen zu.
»Alles raus jetzt«, befahl die Schwester.
Im Flur sagte Lucas: »Sie sah ganz gut aus, hmmm? Ganz
gut …«
»Ja, ganz gut«, bestätigte Black.
»Ich war echt erstaunt«, sagte Del. »Mann, sie hat eine gottverdammte 44er abgekriegt … Sie sah viel besser aus als vorher.« Alle drei nickten sich zu.
»Sie ist aus dem Gröbsten raus, mehr aber auch nicht«, sagte Weather. »Das dürft ihr nicht vergessen. Es ist noch ein langer Weg bis zur völligen Genesung.«
Lucas und Del gingen; hinter der Tür der Station blieb Lucas jedoch plötzlich stehen, sagte zu Del: »Wart mal einen Moment« und marschierte wieder zurück. Weather ging gerade in der anderen Richtung davon. »Hey, Weather!«
Sie blieb stehen, wartete auf ihn. Er nahm eine Visitenkarte aus seiner Ausweismappe, kritzelte eine Telefonnummer auf die Rückseite und sagte: »Behalt Marcy bitte weiterhin im Auge, okay? Du kennst die Ärzte besser als wir. Wenn es eine Veränderung gibt …«
»… ruf ich dich an«, sagte sie. Sie nahm die Karte, und Lucas ging zurück zu Del.
Draußen auf dem Gehweg fragte Del: »Was …?«
»Ich habe ihr meine Telefonnummer gegeben, für den Fall, dass was mit Marcy ist«, log Lucas. Sie hätte ihn ohne weiteres auch über die Telefonzentrale der Polizei erreichen können, und diese Nummer hatte sie. In Wahrheit war er wegen eines plötzlichen Zuckens in seinem Unterbewusstsein zurückgegangen: Er wollte einen zweiten Blick auf Weathers Ohren werfen. Und tatsächlich – sie trug tintenblaue Saphir-Ohrringe, ein Karat jeder Stein. Er hatte sie ihr einmal geschenkt.
Er lächelte auf dem Weg zu seinem Büro vor sich hin, und Del sagte: »Mit dem Mädchen kommt alles wieder in Ordnung.«
»Vielleicht«, sagte Lucas, und im Gegensatz zu Del meinte er nicht Marcy.
Im Büro machte Lucas einen Anruf bei Louis Mallard vom FBI in Washington. Mallard hatte genug Einfluss, um sich Zugang zu allen Daten, die landesweit in regierungsamtlichen Computern steckten, verschaffen zu können. Er versprach, alle verfügbaren Unterlagen über Rodriguez’ Firma in Miami herauszufiltern und sie Lucas zuzustellen. Nach dem Ende des Gesprächs ging Lucas zu Rose Marie.
»Wir müssen eine Besprechung abhalten«, sagte er.
»Marcy ist wach.«
»Ich weiß. Sie wird es schaffen.«
Rose Marie legte den Finger auf die Lippen. »Schsch, fordern Sie das Schicksal nicht heraus …«
Während sie auf das Eintreffen der Besprechungsteilnehmer warteten, rief Lane an. »Mir war’s langweilig, und da bin ich mal kurz an Rodriguez’ Bürofenster vorbeigelaufen. Er hat am Computer gearbeitet.«
»Wer hat dich dabei gesehen? Die Sekretärin?«
»Ehm, ja. Aber ich war ja als cooler Typ getarnt, was mir keinerlei Schwierigkeiten macht, und ich habe sie ein bisschen durchs Fenster angeflirtet.«
»Lane, du verdammter Blödmann!«
»Nun ja … Rodriguez hatte sich in E-Trade eingeloggt, wie ich auf dem Monitor sehen konnte.«
»E-Trade …«
»Ja. Ich wette, er hat die Hose voll und stößt Aktien ab.«
»Wie ich gerade sagte, du bist ein verdammtes Genie!« Lucas rief Mallard noch einmal an. »Können Sie sich Zugang zu E-Trade-Daten verschaffen?«
»Ja, wenn ich das will«, antwortete Mallard.
Del kam zusammen mit Frank Lester zur Besprechung; dazu Towson, der County-Staatsanwalt, und Long, sein Stellvertreter, gerade von der Atheneum-Bank mit einem Stapel Unterlagen zurückgekehrt. Kein Vertreter der PR-Abteilung.
»Ich möchte sicherstellen, dass Sie alle wissen, was wir als Sonderkommission unternommen haben und noch unternehmen wollen«, sagte Lucas. »Wir ermitteln gegen diesen Richard Rodriguez, und
Weitere Kostenlose Bücher