Nachtblind
Lucas war ähnlichen Typen schon begegnet; es hatte sich um Autoverkäufer, Besitzer von Waschsalons, Barkeeper und Gewerkschaftsführer gehandelt. Und manchmal auch um Anwälte, die aus einfachen Verhältnissen stammten.
Rodriguez war außer sich vor Wut: »Was zum Teufel machen Sie da – was fällt Ihnen ein, meinen guten Ruf und meine Kreditwürdigkeit kaputtzumachen? Ich will Ihnen was sagen: Ich hole jetzt sofort meinen Anwalt her« – er riss den Telefonhörer hoch – »und werde eine Schadenersatzklage einreichen, und die werden wir zusätzlich mit dem Vorwurf polizeilicher Schikane anreichern. Ich brauche keine gottverdammten Appartementhäuser mehr, weil ich ein reicher Mann werde, indem ich die Stadt Minneapolis auf Schadenersatz in Höhe von einer Milliarde Bucks verklage, und es ist ja nicht das erste Mal, dass die Cops von Minneapolis wegen Schikane gegen unschuldige Bürger vor dem Kadi landen, und …«
»Sie handeln mit Drogen, Richard«, unterbrach ihn Lucas.
»Das können wir beweisen. Wir können beweisen, dass Sie der Drogenlieferant von Sandy Lansing waren. Mehrere Leute werden das vor Gericht bezeugen. Wir können beweisen, dass Sie verschiedene unsaubere Darlehen aufgenommen und mit Drogengeld gefüttert haben, und die Steuerfahndung wird Ihnen gewaltig an den Arsch gehen. Eine ganze Menge, was wir da gegen Sie in der Hand haben. Die Frage ist nur, ob wir Ihnen auch den Mord an Alie’e Maison nachweisen können. Wir wissen, dass Sie der Mörder sind, wir müssen nur noch ein paar Beweise für die Anklage zusammentragen.«
»So ein Quatsch! Ich habe dieses Miststück niemals auch nur angefasst.« Er hatte inzwischen eine Nummer in sein Telefon eingetippt, sprach jetzt in die Muschel: »Geben Sie mir Sam …« Dann: »Die Cops sind hier und belästigen mich. Davenport und noch ein anderer Typ.« Er hörte einige Sekunden zu, hielt Lucas dann das Telefon hin. »Reden Sie mit ihm.«
»Nein«, sagte Lucas. »Wir gehen jetzt. Ich wollte nur mal Bekanntschaft mit Ihrem Arsch machen. Wir werden wiederkommen und Sie verhaften, Richard.«
»Ich scheiß auf Sie«, fauchte er, sagte dann ins Telefon: »Er will nicht mit Ihnen reden. Sie gehen … Ja, ja.«
Als Lucas und Sloan hinaus in den Flur gingen, hörten sie noch, wie das Telefon mit einem Knall aufgelegt wurde, und kurz darauf kam Rodriguez hinter ihnen hergelaufen. »Ich will euch Arschlöchern noch was sagen«, keuchte er. »Ja, lassen Sie mich Ihnen noch was sagen. Nur zwischen Ihnen und mir. Meine gottverdammte Mutter war eine Nutte in dem beschissenen Detroit. Wer mein Vater war, weiß ich nicht. Selbst mein Name ist nichts als ein Witz. Mein Vater war wahrscheinlich ein Pole oder Litauer oder irgendein anderer verdammter Osteuropäer.« Er geriet immer mehr in Wut, während die Worte aus seinem Mund zischten. »Ich habe mich aus eigener Kraft aus dem Sumpf rausgearbeitet, ich habe mir jeden Tag meines Lebens den Arsch abgearbeitet, um das zu erreichen, was ich erreicht habe. Und dann kommen da zwei billige Cops anmarschiert und sagen, ich hätte einen Mord begangen … Ich will Ihnen was sagen: Ich habe noch nie einen Menschen umgebracht. Niemals. Ich habe sogar noch nie einem Menschen ins Gesicht geschlagen. Ich wollte einfach nur raus aus diesem verdammten Detroit und jemandsein, und das habe ich geschafft, und dann kommt ihr Arschlöcher …«
»Schluss mit den Arschlöchern«, fuhr Lucas ihn an.
»Sie sind ein Arschloch!«, fauchte Rodriguez zurück. »Ihr beide seid Arschlöcher. Warum prügeln Sie nicht ein bisschen auf mich ein, hmmm?« Er schob sich näher an Lucas heran. »Los, schlagen Sie doch zu! Keine Angst, ich schlage nicht zurück. Aber ich hätte dann einen weiteren Grund, euch eine Klage anzuhängen, ihr verdammten Dreckskerle! Ihr ruiniert meinen guten Ruf …«
Und dann verzog er das Gesicht, stammelte: »Meine … meine Reputation … Sie machen meine Reputation kaputt …« Und er drehte sich um und ging davon, zurück in sein Büro.
»Jesus«, sagte Sloan beeindruckt. »Der Kerl hat tatsächlich … Mein Gott, das waren echte Tränen.«
»Ja.« Lucas kratzte sich am Kopf, hob dann die Schultern. »Lass uns gehen.«
»Sind wir ganz sicher, dass er Drogenhändler ist?«
»Ja – es sei denn, er hat einen sündhaften Zwillingsbruder«, antwortete Lucas.
Das Gespräch mit Rodriguez warf irgendwie einen Schatten auf den Tag, und sie fuhren meist schweigend nach Minneapolis zurück. »Soll ich dich
Weitere Kostenlose Bücher